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Haschisch

Haschisch

Titel: Haschisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar A. H. Schmitz
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Kutscher, um zu dem Grafen zu fahren, und eilte die Treppe hinunter.
    Ich fuhr und fuhr, unaufhaltsam, Tage, Wochen, Jahre. Im Bois de Boulogne stieg ich aus. Als ob es so sein müßte, ging ich zu einer Bank, auf der ich früher oft in stillen Stunden geruht, die bisweilen mein unruhiges Dasein kurz unterbrachen. Eine sanfte Wintersonne schien durch das kahle Gehölz. Ich weiß nicht, wie lange ich träumend da gesessen habe. Über den nächtlichen Besuch hatte ich mich langsam beruhigt. Es war ja erklärlich, daß ich dieses Wesen im Haschischrausch eingelassen hatte. Aber ich empfand einen heftigen Unwillen bei dem Gedanken, meine Wohnung wieder betreten zu müssen. Es war dort etwas, womit ich durchaus nichts mehr zu tun haben wollte. In dieser Nacht waren mir sonderbare Erkenntnisse gekommen. Wo sollte ich nun hin? Fort von Paris, am liebsten fort aus Europa, auf irgendeine Farm auf jungfräulichem Boden. Dann fand ich es merkwürdig, daß ich – gerade ich so etwas empfand. Fast war mir, als wäre das alles gar kein Rausch gewesen. Die körperlose Geliebte, die kein Weib ist, sondern der Vorwand unserer Träume – das Bacchanal der wütendsten Selbstvernichtung – die Umarmung des Todes – das lüsterne Betasten und Belauern des Heiligen – hatte ich das wirklich nur geträumt? Irgendwo hatte ich Ähnliches selbst erlebt, selbst getan. Wo aber? Wann geschah es? Ich fühlte, daß ich darüber noch lange nachzudenken hätte. Eines nur war mir gewiß: Ich war von einer schrecklichen Krankheit genesen, die mich dem Tod hatte ins Gesicht schauen lassen. Was aber nun mit der neuen Gesundheit beginnen?

Der Schmugglersteig

Eine vormärzliche Begebenheit aus den privaten Aufzeichnungen eines Journalisten.
    Ein halbes Jahrhundert habe ich über mich selbst geschwiegen, ich war ein Sprachrohr der anderen. Heute bin ich fünfundsiebzig Jahre alt. Es ist daher höchste Zeit, ein Erlebnis zu berichten, wenn es überhaupt noch berichtet werden soll.
    Zweimal bin ich um die Welt gereist, dreimal habe ich die Mitternachtssonne gesehen, in Amerika war ich viermal auf Segelschiffen, sechzehnmal auf Dampfern, die Eisenbahnen haben mich umsonst vom Kap Finisterre bis zum Gelben Meere gebracht, mit zwei Kaisern, elf Königen, vier Häuptlingen, einem Hetman, einem Begler-Beg, einem Groß-Chan und 214 Ministern habe ich gespeist, der Bey von Tunis hat mir seinen Sonnenorden verliehen, aber mein Souverän erlaubte mir nicht, ihn zu tragen. Mit seinen Sternen und Bändern bedeckt er mehr als dreiviertel einer mittelgroßen Personnage, bezaubert daher Unwissende stärker als der Schwarze Adlerorden, und das ist nicht gut. Heinrich Heine hat mir persönlich göttliche Grobheiten gesagt, Fanny Elsler hätte mich fast geliebt, Napoleon III. hörte mit gnädigem Lächeln meine Finanzpläne zur Rettung Frankreichs an. Bei 113 Hinrichtungen war ich Zeuge die letzte war eine elektrische. Mehr als 200 erwerbsbedürftigen Müttern habe ich die Doppelköpfigkeit, unmäßige Behaarung oder die wissenschaftliche Bedeutung ihrer Mißgeburten öffentlich bezeugt, habe betrunkene Könige, ehrliche Dirnen und bescheidene Tenöre gekannt. In Louisiana sollte ich skalpiert, in Tibet geschunden werden, aber mein gewandtes Auftreten rettete mich. Ich kann keine Sprache ganz, sechsunddreißig dreiviertel oder halb, in allen habe ich eine vortreffliche Aussprache. Mit einem Satz: Ich gleiche dem nordischen Gotte Heimdall, der von neun Müttern geboren war also neunfachen Mutterwitz haben mußte –, weniger Schlaf brauchte als ein Vogel, bei Nacht hundert Meilen weit sah wie bei Tag, und das Gras auf der Erde, die Wolle auf den Schafen wachsen hörte.
    Aber von alledem will ich heute nichts erzählen, ihr Damen der Provinz, die ihr mich für einen interessanten Mann haltet. Ich will vielmehr berichten, was mir in der letzten Nacht begegnete, ehe dieses bewegte halbe Jahrhundert begann, und schlage darum die holzpapiernen Blätter meines Lebensbuches zurück.
    Ich besaß die kümmerliche Monatsrente von fünfzig Gulden. Später gab es Monate, in denen ich bei Gott 5000 anzubringen verstand. Dies und ein unheilvolles Rumoren in meinem Kopf bestimmten mich zum Dichter. Wie es sich für diesen Beruf geziemt, bewohnte ich eine Dachkammer mit Aussicht auf einen altertümlichen Hof und zahllose Giebeldächer, auf denen im Mondschein Katzen und Kater tanzten, während in den dunklen Ecken des morschen Baus die Mädchen des Hauses verfängliche Gespräche mit

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