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Haschisch

Haschisch

Titel: Haschisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar A. H. Schmitz
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ihren Liebsten hielten. Die Mondstrahlen aber waren wie Saiten in den Rahmen meines Fensters gespannt, und mein überquellendes Herz harfte seine Sehnsucht gen Himmel. Bisweilen besuchte mich ein Mädchen. Es war nicht schön. Die Geliebten der Dichter sind nie schön, denn wessen Einbildungskraft aus blondem Haar goldene Kronen schmiedet, muß so viel Wirklichkeit übersehen, daß es auf ein paar Extrahäßlichkeiten, wie etwa Struppigkeit, nicht ankommt, und wer den Sprung von Augen zu Sternen macht, braucht nicht viel weiter zu springen, ob die Augen schielen oder nicht. Ach, Manolitha, die Marie hieß, hatte etwas struppiges Haar, ohne daß ich es merkte, und ihre Augen schielten ein wenig. Aber auch sie war ein Weib, ihre körperlichen Merkmale waren feminini generis, wie bei Venus und Maria. Meine Phantasie besaß an ihr ein Sprungbrett in das Mysterium der stets streitenden und stets sich ergänzenden Hälften der Welt, des ewig Männlichen und des ewig Weiblichen. Dazu genügte Manolitha, wie meine Dachkammer, für meine Poesie. Das arme Kind wußte nicht, wie ihm geschah. Sie mußte wohl meinen: So sind die Männer.
    Die Stadt, in der ich wohnte, lag unweit der Grenze. Die über einem See aufsteigende Felsenstraße – im letzten Haus diente Manolitha – führte in das Nachbarland. In einer Mondnacht – mir ist, als wären in jener Zeit alle Nächte Mondnächte gewesen – hatte ich Manolitha an ihre Türe gebracht. Ich stand allein, hoch über dem See. Fern glitzerten die Lichter der Stadt. Längs der Straße zog sich die Felswand hin, zerklüftet und oft von lärmenden Gießbächen zerrissen. Auf dem fast taghell beschienenen See irrten formlose dunkle Wolkenschatten. Hie und da schwamm ein Fischerboot auf der Fläche, dessen Insasse bei einer Laterne sein schweigsames Gewerbe betrieb. Auf meinen Lippen brannten noch die Küsse der Geliebten, die mir jetzt in der Erinnerung wirklich ein wenig zu dürftig vorkommen. Bei Heimdall, dem Journalistengott, später habe ich wahrhaftig andere Frauen geliebt!
    Ich eilte vorwärts auf der Felsenstraße, vorwärts in die Ferne, nach Süden, in dumpfem Drang, aus den silbernen Armen dieser Jugendnacht, den Gedanken, das Wort zu empfangen, das mich unsterblich machen sollte. Halb trunken wanderte ich immer weiter. Nach kurzer Zeit bog die Felsenstraße rechts ab in das Geklüft. Nur ein kaum fußbreiter Weg war in die Wand gehauen, die über dem See emporragte: der Schmugglersteig. Mir war, als stünde ich vor einer wichtigen Entscheidung meines Lebens. Rechts ging es in die felsumschlossene Fichtennacht der geheimnisvollen Wasserfälle, links führte der halsbrecherische Steig im Mondlicht hoch über der unten ausgedehnten Flut. Ihn beschloß ich zu gehen, und wie auf dünnem Seil glaubte ich frei ins Licht zu wandeln, während ich, der Gefahr spottend, über dem Abgrund mühselig einherkroch. Der Gedanke belustigte mich, es könnte mir ein hochbepackter Schmuggler auf dem engen Pfad entgegenkommen, und ich war neugierig, was sich dann ereignen würde. Einer hätte umkehren oder in die Tiefe stürzen müssen. Es kam mir vor, als ziehe sich der Pfad unendlich in die Länge. Da ich infolge der Krümmungen den Ausgangspunkt längst nicht mehr sah und hinter jeder Felsennase, die sich vor mir breit machte, irgendein Ziel erhoffte, ging ich weiter mit jener fast unheimlichen Pedanterie, die uns oft vorwärts zwingt, damit wir nur nicht auf denselben Weg zurück müssen, und ginge es in den Tod. Körperlicher Anstrengungen ungewohnt, fühlte ich bald eine kaum noch erträgliche Müdigkeit, die Hände schmerzten bei jeder Berührung mit dem Felsen, ich fühlte meine Selbstbeherrschung nachlassen, ein Zittern in den Unterschenkeln kündete einen nahenden Schwindelanfall an. Fast weiß lag der See unter mir, ein unwahrscheinliches künstliches Licht durchzitterte die Luft.
    Des folgenden Zeitabschnitts vermag ich mich durchaus nicht mehr zu entsinnen. Bin ich in die Tiefe gestürzt und unter der Flut in ein Feenreich geraten, wo man als Maskerade zum Spaß unsere Welt nachahmt, und befinde ich mich heute noch bei diesem Mummenschanz? Oder bin ich mit übernatürlicher Anspannung meiner Kräfte weitergegangen, so daß für die Tätigkeit des Bewußtseins nichts mehr übrigblieb? Kurz, ich fühle meine Erinnerungen an dieser Stelle wie in zwei Leben zerbrochen, eine Leere, ein Loch trennt diesseits und jenseits. Ich stelle mir vor, daß viele Menschen so eine Lücke in ihrem

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