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Haschisch

Haschisch

Titel: Haschisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar A. H. Schmitz
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Dasein haben, die sie vergeblich auszufüllen suchen. Entweder nehmen sie diesen Mangel ernst, lassen in Gedanken nicht davon ab und werden verrückt, oder sie betäuben sich wie ich mit Arbeit, Vergnügen und ähnlichen narkotischen Mitteln, das heißt, sie machen einen Umweg um ihr eigenes Leben.
    Meine Erinnerung beginnt wieder bei folgender Situation. Ich sitze in einem allseitig geschlossenen Raum am Boden, mit Fellen und Tüchern bedeckt, vor mir brennt ein Reisigfeuer, das seinen Schein auf einen Kreis wildbärtiger Männer wirft. An ihren Gürteln sehe ich reich besetzte Dolche funkeln, ihre rauhen, ungepflegten Glieder sind halb in Lumpen, halb in köstliche, orientalische Decken gehüllt. Offenbar sind es Schmuggler. Als ich den Blick aufwärts wendete, sah ich den gestirnten Himmel über mir. Wir befanden uns in einer dachlosen Stube, deren Wände Felsen bildeten. In den Ecken schienen dunkle Stollen in den viereckigen Raum zu münden. Vor jedem, auch vor mir, waren kostbare, aber teils zerbrochene Teller und Gläser aufgestellt mit Speisen und Getränken, die appetitlicher aussahen, als der Ort erhoffen ließ. Man hatte offenbar auf mein Erwachen gewartet, um mit der Mahlzeit zu beginnen. Ich war sehr hungrig und griff zu. Man ermunterte mich besonders zum Trinken, war überhaupt sehr höflich und zuvorkommend. Ein altes Weib, das nicht anders als Skelett angeredet wurde, bediente uns mit dem, was es wohl selbst gekocht hatte. Ich hätte allzu gerne gewußt, wie ich hergekommen und wer diese Menschen waren, aber ich fürchtete, mir eine Blöße zu geben, wenn ich fragte. (Um keinen unberechtigten Hoffnungen des Lesers Raum zu geben, bemerke ich gleich, daß ich es niemals erfahren habe.)
    Ich suchte meine lange Geistesabwesenheit nach Kräften zu verheimlichen. Nachdem wir gespeist, und ich mich, ohne betrunken zu sein, in jener gehobenen Nachtischstimmung befand, schlugen meine Wirte vor, mir ihre Wohnung zu zeigen, in der, wie sie sagten, von den Schätzen der Erde das Beste und Kurioseste aufgestapelt sei. Wir traten mit Fackeln in einen der Stollen-, dessen beide Wände von eisernen Türen durchbrochen waren.
    »Wir können Ihnen unmöglich alles zeigen«, sagte einer, »aber Sie werden sich immerhin einen Begriff von unseren Sammlungen machen können.«
    Man öffnete die erste Pforte. Ich will nicht mit der Beschreibung der kostbaren und seltsamen Dinge in den Felsenkammern ermüden. Die Aufsätze, die ich in den folgenden fünfzig Jahren aus allen Teilen der Welt an die Zeitung schickte, geben deutliches Zeugnis davon. Nur kurz einiges Allgemeine: ich sah die abendliche Pracht der Wüste, das starre Trandasein der Eskimos, ich sah Bayreuth mit den wieder lebendig gewordenen nordischen Göttern, um die sich der Reichtum beider Welten schart. (Ich muß bemerken, daß dies in den vierziger Jahren geschah, als noch kein Mensch an Bayreuth dachte.)
    Ich sah die Schlachtfelder des Deutsch-Französischen Kriegs, aber ich entdeckte noch mehr: leibhaftige Gedanken, die in zeitweiligen oder lebenslänglichen Ruhestand versetzt, auf köstlichen Polstern lagen, menschheitbeglückende und weltzerstörende Ideen. Kommunistische Systeme saßen liebenswert um Teetische, Revolutionen wälzten sich knurrend an der Kette. Dichterträume gingen in fabelhafter Nacktheit – ich muß gestehen, etwas dreist – zwischen anständig, wenn auch bedürftig gekleideten bureaukratischen Schrullen umher. Hoffnungen, die stets in der Hoffnung waren, schrien nach Wöchnerinnen, die man ihnen versagte. Einige neue Laster machten sich von weitem angenehm bemerkbar, rochen aber in der Nähe schlecht, weshalb ich nicht dazu kam, mir ihre Gestalt ordentlich einzuprägen. Lues, eine Schöne, grämte sich, weil man sie nicht zu den assyrischen Lasterkönigen ließ, aber das Schicksal, vor dem die Schmuggler wahrscheinlich ungeheuren Respekt hatten, wollte es nicht so, wie man mir versicherte. Auch fixe Ideen drängten unverschämt heran. Nur diesen gegenüber mußte ich mich unhöflicher Worte, einer, die einen Lorbeerkranz trug, sogar meiner Fäuste bedienen. Sonst benahmen sich selbst die Leidenschaften und die Todsünden recht gut, wenn auch etwas verlegen, wie derbe Leute, die sich einmal in den Zwang eines Salons fügen, um sich später anderwärts schadlos zu halten.
    Man kann sich denken, mit welchem Staunen ich zwischen all diesen Kuriositäten umherging. Aber meine Verwunderung wuchs, als mich einer meiner Begleiter,

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