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Hasenherz

Hasenherz

Titel: Hasenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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letzte Nacht bekommen. Ein Mädchen.» Platzangst befällt ihn plötzlich, ihm ist, als befinde er sich in Totheros Schädel. Er steht auf und fürchtet, gegen die Decke zu stoßen, dabei ist sie meterweit über ihm.
    «Haben Sie herzlichen Dank, Harry. Ich weiß, er hat sich sehr gefreut, Sie zu sehn», sagt Mrs. Tothero. Trotzdem hat er ein Gefühl, als sei er beim Gedichtaufsagen durchgefallen. Federnden Schrittes geht er durch den Korridor – entlassen. Der Gedanke, daß er gesund ist und daß er ein neues Leben anfängt, gibt der Luft, sogar der antiseptischen Luft in den Krankenhaus-Fluren, köstliches Aroma. Aber sein Zusammensein mit Janice enttäuscht ihn. Vielleicht, daß er noch befangen ist im Gedanken an den armen Tothero, den es so gut wie tot hingemäht hat; vielleicht aber auch, daß Janice befangen ist, jetzt, da der Ätherne bel sich gehoben hat und ihr wieder einfällt, wie schlimm Harry sie behandelt hat. Sie jammert ausgiebig über Schmerzen, und als er sich wieder anschickt, seine Reue kundzutun, macht sie den Eindruck, als langweile er sie. Die Aussichtslosigkeit, heute noch irgend jemandem zu gefallen, wirft sich wie ein Netz über ihn. Sie fragt, warum er ihr keine Blumen mitgebracht habe. Er hatte keine Zeit dazu. Er erzählt ihr, wie er die Nacht verbracht hat, und wie könnte es auch anders sein, sie will, daß er ihr Mrs. Eccles beschreibt.
    «Ungefähr so groß wie du», sagt er. «Sommersprossen.»
    «Ihr Mann ist fabelhaft», sagt sie. «Er scheint wirklich alle Menschen zu lieben.»
    «Ja, er ist in Ordnung», sagt Rabbit. «Er macht mich nervös.»
    «Ach, dich macht ja jeder nervös.»
    «Nein, das ist nicht wahr. Marty Tothero hat mich nie nervös ge macht. Ich hab den armen Kerl eben gesehn, er liegt ein paar Türen weiter. Er kann kein Wort sprechen und kaum den Kopf bewegen.»
    «Er macht dich also nicht nervös, aber ich, stimmt's?»
    «Das habe ich nicht gesagt.»
    «O nein. Auu. Diese verdammte Naht piekt wie Stacheldraht. Ich mache dich nur so nervös, daß du mich zwei Monate sitzengelassen hast. Mehr als zwei Monate.»
    «Meine Güte, Janice, alles, was du gemacht hast, war vorm Fernsehapparat sitzen und trinken, den ganzen Tag. Ich will damit nicht sagen, daß ich ganz ohne Schuld gewesen bin, aber damals war mir so zumute. Man hatte das Gefühl, als läge man schon im Sarg, ohne daß einem das Blut erstarrt war. In der Nacht damals, als ich vorm Haus von deinen Eltern in den Wagen stieg, da war's durchaus drin, daß ich Nelson abholte und wieder nach Haus fuhr. Aber als ich die Bremse losmachte –» Über ihr Gesicht fließt wieder die Langeweile. Sie läßt den Kopf von einer Seite zur andern pendeln, als wehre sie Fliegen ab. «Scheiße», sagt er.
    Das landet bei ihr. Sie sagt: «Ich stelle fest, deine Ausdrucksweise ist auch nicht besser geworden, seit du mit dieser Prostituierten zusam mengelebt hast.»
    «Sie war keine Prostituierte. Sie hat einfach nur herumgeschlafen. Ich meine, es gibt eine Menge Mädchen, die das machen. Wenn du jede, die nicht verheiratet ist, als Prostituierte bezeichnen willst, dann ...»
    «Wo willst du jetzt bleiben, bis ich aus der Klinik komme?»
    «Ich dachte, Nelson und ich, wir ziehn in unsere Wohnung zurück.»
    «Ich weiß nicht, ob das geht. Wir haben seit zwei Monaten keine Miete bezahlt.»
    «Häh? Du hast nicht bezahlt?»
    «Also, weißt du, Harry, du verlangst wirklich viel. Hast du erwartet, Papa würde dir auch noch die Miete zahlen? Ich hatte ja keinen Pfennig.»
    «Hat der Hauswirt sich gerührt? Und was ist mit unsern Möbeln? Hat er alles auf die Straße gesetzt?»
    «Ich weiß nicht.»
    «So, du weißt nicht! Was weißt du eigentlich? Was hast du die ganze Zeit über gemacht? Geschlafen?»
    «Ich hab dein Kind getragen.»
    «Lieber Gott, ich hätte mir denken können, daß dafür dein ganzer Verstand draufgeht. Meine Gute, das Schlimme mit dir ist, daß du dich einen Dreck um andere scherst. Das ist es.»
    «Hör dich bloß an.»
    Und er tut's, er hört seinem Getön zu, und er denkt an die vergange ne Nacht, an die Empfindungen, die er da gehabt hat, und nach einer Pause versucht er, noch einmal ganz von vorn anzufangen. «He», sagt er, «ich liebe dich.»
    «Ich liebe dich auch», sagt sie. «Hast du fünfundzwanzig Cents?»
    «Möglich, ich guck mal nach. Wozu denn?»
    «Wenn man da fünfundzwanzig Cents reinsteckt» – sie zeigt auf einen kleinen Fernsehapparat, der hoch an der Wand angebracht ist, damit die

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