Hasenherz
glaube nicht, daß man seine Arbeit mögen muß. Wenn man's tut, dann ist es keine Arbeit.»
«Jack mag seine Arbeit.»
«Dann ist es keine Arbeit für ihn.»
«Das sagt er auch immer. Er sagt, es sei keine Arbeit in dem Sinne, wie ich sie verstehe. Aber ich bin sicher, Sie kennen diese Masche genausogut wie ich.»
Er weiß, sie stichelt, aber es trifft ihn nicht, er spielt mit leichter Hand drüber weg. «Er und ich, wir sind uns in mancher Hinsicht ähnlich», sagt er.
«Ich weiß, ich weiß.» Das kommt verdächtig prompt, sein Herz tickt schneller. Sie setzt hinzu: «Aber mir sind natürlich die Unterschiede wichtig.» Ihre Stimme schnörkelt sich trocken ins Satzende hinein. Ihre Unterlippe schiebt sich zur Seite.
Was ist das ? Es kommt ihm so vor, als berühre er Glas. Er weiß nicht, ob sie sich nur so dahinunterhalten oder ob sie verschlüsselt von den geheimsten Sachen reden. Er weiß nicht, ob sie bewußt oder unbewußt flirtet. Er denkt immer, wenn er ihr wieder begegnet, dann wird er rundheraus mit ihr reden, ihr sagen, daß er sie liebt, oder etwas ähnlich Plumpes, damit die Wahrheit endlich mal zutage kommt. Aber in ihrer Gegenwart ist er dann ganz benommen; sein Atem beschlägt das Glas, und er hat Schwierigkeiten, überhaupt irgendwas zu finden, was sich sagen läßt, und das ist dann auch noch furchtbar blöde. Er weiß nur dies: allem zum Trotz, ihrer beider Bewußtsein und Situation zum Trotz hat er, wie ein ererbtes Pfandrecht an einem fernen Stück Land, eine Herrschaft über sie, und mit jeder Faser, mit jedem Haar und Nerv und dem feinsten Äderchen, ist sie bereit dafür, daß er diese Herrschaft antrete. Aber zwischen dieser Bereitschaft und ihm steht die Vernunft. «Zum Beispiel?» fragt er.
«Oh – zum Beispiel, daß Sie keine Angst vor Frauen haben.»
«Wer hat das denn?»
«Jack.»
«Meinen Sie?»
«Natürlich. Mit den alten und den Teenagern geht alles glatt, eben mit allen, die seinen Kragen im Auge haben. Aber bei den andern sieht er sich vor, die mag er nicht. Im Grunde will er nicht mal, daß sie in die Kirche kommen. Sie bringen so einen Geruch nach Babies und Bett mit. Das liegt aber nicht nur an Jack, das liegt am Christentum. Wirklich eine sehr neurotische Religion.»
Von Zeit zu Zeit, wenn sie ihre Psychologie auspackt, kommt sie ihm so albern vor, daß er seine eigene Albernheit darüber vergißt. Er tritt von einem hohen Kantstein herunter und nimmt sie beim Arm. In Mt. Judge, dieser gegen den Berg gebauten Stadt, gibt es viele hohe Kant steine, und für kleine Frauen ist es oft schwer, sie mit Anmut zu bewältigen. Ihr nackter Arm bleibt kühl in seiner Hand.
«Erzählen Sie das bloß nicht den Pfarrkindern», sagt er.
«Sehn Sie, Sie reden genau wie Jack.»
«Ist das gut oder schlecht?» So. Jetzt hat er sie in der Klemme. Sie muß entweder sagen: es ist gut, oder: es ist schlecht, und dann sind sie an der Weggabelung angelangt.
Aber sie sagt nichts. Er spürt, wieviel Anstrengung diese Zurückhal tung sie kostet. Sie ist gewohnt, immer eine Antwort zu geben. Sie erklimmen den gegenüberliegenden Kantstein, und Rabbit läßt verle gen ihren Arm los. Er ist verlegen und hat trotzdem immer noch dies Gefühl, daß sie bereit ist für ihn.
«Mammi?» sagt Joyce.
«Was?»
«Was ist rotisch?»
«Rotisch? Ah, neurotisch. Das ist, wenn man ein bißchen krank ist im Kopf.»
«Wie eine Erkältung im Kopf?»
«Ja, ein bißchen so. Ungefähr genauso schlimm. Mach dir keine Gedanken darüber, mein Herzchen. Die meisten Menschen haben diese Krankheit. Außer unserm Freund Mr. Angstrom.»
Das kleine Mädchen linst an den Schenkeln der Mutter vorbei mit befangen-frechem Lächeln zu ihm hinauf. «Er ist unartig», sagt sie.
«Nicht sehr», sagt die Mutter.
Am Ende der Ziegelzufahrt zur Pfarrei steht verlassen ein blaues Dreirad; Joyce stürzt drauf zu, schwingt sich in den Sattel und hoppelt davon in ihrem wasserblauen Sonntagsmäntelchen und der rosa Haarschleife; die Metallteile scheppern und spinnen ventriloquistische Ge räuschfäden in die Luft. Sie sehen dem Kind nach, er und die Frau. Dann fragt Lucy: «Wollen Sie reinkommen?» Während sie auf seine Antwort wartet, ist sie in die Betrachtung seiner Schulter vertieft; ihre weißen Lider verbergen ihm ihre Augen. Ihre Lippen sind geöffnet, und ihre Zunge – eine Bewegung ihres Kiefers sagt es ihm – streicht über den Gaumen. Die Linien ihres Gesichts treten scharf heraus in der Mittagssonne, und ihr
Weitere Kostenlose Bücher