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Hasenherz

Hasenherz

Titel: Hasenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Lippenstift ist bröckelig. Er sieht die Innenwand ihrer Unterlippe feucht gegen die Zähne schwellen. Mit aufgestauter Wucht kommt ihn plötzlich die Erinnerung an die Predigt an, die Erinnerung an ihren ängstlich-eindringlichen, mahnenden Grundton; wie ein staubiger Wüstenwind weht sie ihn an, durchfegt ihn und bringt eine groteske Vision mit von Janices grüngeäderten, zarten Brüsten. Dieser bösartige Pendelausschlag seines Unterbewußtseins will ihn wegreißen von hier.
    «Nein, vielen Dank. Ich kann nicht.»
    «Ach, kommen Sie doch. Sie sind in die Kirche gegangen, lassen Sie sich dafür belohnen. Trinken Sie eine Tasse Kaffee.»
    «Nein, sehn Sie», weich, aber riesengroß tropfen die Worte heraus, «Sie sind Klasse, aber ich hab ja diese Ehefrau jetzt.» Und seine Hände heben sich zu einer vagen, erklärenden Geste, und mit einem hastigen Schritt weicht sie vor ihnen zurück.
    «Verzeihung!»
    Es gibt für ihn nichts anderes mehr, nur noch den kleinen gesprenkel ten Kreis ihrer grünen Iris, der wie zerrissenes Seidenpapier um die schwarze Pupille liegt. Dann sieht er nur noch den festen, runden Hintern, der von ihm weg über die Auffahrt springt. «Aber trotzdem vielen Dank!» ruft er ihr mit leerer, mutloser Stimme nach. Nichts ist schrecklicher für ihn, als gehaßt zu werden. Sie schlägt die Tür so heftig hinter sich zu, daß der Klopfer von allein über die leere Veranda lärmt.
    Er geht nach Haus, blind für den Sonnenschein. Geriet sie so von Sinnen, weil er einen Antrag abgewiesen hat, oder weil er sie hat merken lassen, daß er's so aufgefaßt hat, als habe sie ihm einen gemacht?
    Oder war es eine Mischung aus beidem, was sie so außer sich ge bracht hat? Wenn seine Mutter in eine solche Situation kommt, dann geht sie auf genau dieselbe Weise in Flammen auf. Wie auch immer es sein mag: er lächelt. Er kommt sich groß und elegant und sehr potent vor, als er in seinem Sonntagsanzug unter den Bäumen hinschlendert. Ob er sie nun zurückgewiesen hat oder überhaupt mißverstanden: Eccles’ Frau hat ihn kirre gemacht, und er betritt seine Wohnung, berechnend und kalt vor Begierde.
     
    Sein Bedürfnis, mit Janice zu schlafen, ist wie ein kleiner Engel, an dem den ganzen Nachmittag über winzige Bleigewichte hängen. Das Baby wimmert unermüdlich vor sich hin. Es liegt den ganzen Nachmittag in seinem Korb und gibt einen entnervenden Singsang von sich, hnnnnnah ab ah nnnnh, ein nie abreißendes leises Kratzen an irgendei ner Tür in seinem Innern. Was will es? Warum schläft es nicht? Er ist zurückgekommen von der Kirche und hat Janice etwas Kostbares mitgebracht und wird unentwegt daran gehindert, es ihr zu geben. Die Stimme des Babys gießt Furcht aus über die Wohnung. Rabbits Magen tut weh davon; als er das Kind hochhebt, damit es aufstoße, stößt er selber auf. Der Druck in seinem Magen bricht sich ständig und formt sich zu einer langgestreckten Luftblase, als die Blase im Kind immer noch nicht aufsteigen will. Der winzige, weiche, marmorierte Körper, so schwerelos wie Papier, wird steif an seiner Brust und dann schlaff, der heiße kleine Kopf pendelt hin und her, als wolle er sich vom Rumpf lösen. «Becky, Becky, Becky», singt er, «schlafen, schlafen, schlaaafen.»
    Der ständige Summton macht Nelson unruhig und quengelig. Als spüre er am deutlichsten die Gefahr, vor der Rebecca sie warnen will; er, der der dunklen Pforte am nächsten ist von ihnen dreien, aus der sie kürzlich erst getreten ist.
    Irgendein Schatten, der ihren erwachsenen Sinnen nicht zugänglich ist, scheint nach Rebecca zu greifen, sobald man sie allein läßt. Rabbit legt sie wieder in den Korb, geht auf Zehenspitzen ins Wohnzimmer zurück; sie halten den Atem an. Mit bitterem Kratzen dann zerreißt die Membrane der Stille, und das leierige Stöhnen hebt wieder an: Nnnh annnnnah.
    «O mein Gott», sagt Rabbit, «verdammtes Balg, verdammtes Balg.»
    Gegen fünf am Nachmittag fängt Janice zu weinen an. Tränen laufen ihr über das dunkle, verkniffene Gesicht. «Ich bin so trocken», sagt sie, «ich bin so trocken. Ich hab nichts mehr, ich kann ihr nichts mehr zu trinken geben.» Das Kind hat mehrfach heute an ihrer Brust gelegen.
    «Macht doch nichts», sagt er. «Dann kriegt sie eben nichts mehr. Trink selber was. In der Küche ist noch ein bißchen Whisky.»
    «Sag mal, was soll das eigentlich, dies ? Ich gebe mir Mühe, nicht zu trinken. Ich hab gedacht, es ist dir verhaßt, wenn ich trinke. Den

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