Hasenherz
Augenblick.»
«Kannst du nicht einschlafen?»
«Nein, ich kann nicht. Ich kann nicht. Ich liebe dich zu sehr. Halt einfach still.»
Vor einer Minute noch wäre alles ganz einfach gewesen und ganz schnell gegangen, aber über dem Hinundhergerede ist der erste süße Ansturm verpaßt. Sie fügen sich schlecht ineinander, und durch ihre obstinate Schlaffheit wird alles noch schlimmer. Sie läßt ihn verdorren, weil sie ihn dahinbringt, daß er Mitleid hat mit ihr und sich schämt und sich läppisch vorkommt. Was er sich so schön dachte, ist jetzt nur Schweiß und Mühe und die groteske Aussichtslosigkeit, an der toten heißen Wand ihres Bauchs zum Ende zu gelangen. Sie stößt ihn weg.
«Du benutzt mich nur», sagt sie, «es ist widerlich.»
«Bitte, Baby, ich bin fast da.»
«Es ist so billig.»
Daß sie es wagt, dies zu sagen! Der Zorn packt ihn. Dann geht ihm auf, daß sie's seit drei Monaten nicht mehr gehabt hat und in all dieser Zeit zu einer Auffassung von der Liebe gekommen ist, die mit der Realität nichts zu tun hat. Sie macht sich einen übertriebenen Begriff von ihrer Bedeutung, sie stellt sich als etwas Seltenes und Kostbares vor, als etwas, das zur Hälfte auch ihr zusteht, während er nichts weiter will als Ruhe bekommen, damit es weitergeht mit ihm, damit er schla fen kann, damit er sich auf dem geraden Weg halten kann, um ihretwil len. «Dreh dich um», sagt er.
«Ich liebe dich», sagt sie erleichtert; sie mißversteht ihn, sie denkt, er werde sie in Ruhe lassen. Sie streichelt sein Gesicht zum Abschied und kehrt ihm den Rücken zu.
Er preßt sich an sie und schiebt sich in ihren kühlen Hintern. Es funktioniert, stetig und warm, als sie plötzlich ihren Kopf herumdreht und über die Schulter sagt: «Ist das ein Trick, den du bei deiner Nutte gelernt hast?»
Er stößt ihre Schulter mit geballten Fäusten weg und steht auf, und seine Pyjamahosen rutschen runter. Ein leichter Nachtwind weht durchs Fenster herein. Sie dreht sich auf den Rücken in die Bettmitte, und aus ihrem dunklen Gesicht kommen die Worte: «Ich bin nicht deine Nutte, Harry.»
«Sei still, verdammt», sagt er. «Das war das erstemal, daß ich dich um was gebeten habe, seit du wieder hier bist.»
«Du bist wundervoll gewesen», sagt sie.
«Vielen Dank.»
«Wo willst du hin?»
Er zieht sich an. «Ich geh weg. Ich bin den ganzen Tag nicht rausge kommen aus diesem verdammten Loch.»
«Du bist heute morgen weggewesen.»
Er findet endlich seine Hose und zieht sie an. Janice fragt: «Warum versuchst du nicht mal, dir vorzustellen, wie mir zumute ist? Ich hab gerade ein Kind gekriegt.»
«Ich kann’s mir durchaus vorstellen, aber mir liegt nichts dran, mir kommt es nur drauf an, wie mir zumute ist. Und mir ist so zumute, daß ich weggehn will.»
«Tu's nicht, Harry, tu's nicht.»
«Bleib du nur ruhig da liegen mit deinem kostbaren Arsch. Grüß ihn schön von mir.»
«Oh, um Gottes willen!» weint sie und wirft die Decke über sich und preßt ihr Gesicht ins Kissen.
Sogar jetzt noch hätte er bleiben können, wenn sie die Niederlage nicht so ohne weiteres hingenommen hätte, wie es der Fall ist. Sein Bedürfnis, mit ihr zu schlafen, ist vorbei, es gibt also keinen Grund, zu gehen. Er hat jetzt endgültig aufgehört, sie zu lieben, also könnte er sich ebensogut neben ihr ausstrecken und einschlafen. Aber sie will es anscheinend nicht anders, so wie sie daliegt zwischen den zerknüllten Tüchern, ihren Tränen hingegeben, und draußen in der Stadt donnert ein Motor, und Rabbit denkt an die Luft und an die Bäume und an die Straßen, die sich nackt unterm Licht der Laternen dehnen, und geht zur Tür hinaus.
Das Merkwürdige ist: sie schläft ein, sobald er gegangen ist. Sie ist von der letzten Zeit her gewohnt, allein zu schlafen; es ist eine physische Erleichterung, ihn nicht mehr im Bett zu haben; er strampelt immer so mit seinen heißen Beinen und wühlt das Laken zu einem dicken Tau zusammen. Was er da vorhin mit ihrem Hintern gemacht hat, ist ihrer Dammnaht nicht bekommen, die Stiche tun wieder weh, und sie plu stert nun ihr Gefieder auf über dem kleinen Schmerz und läßt sich nieder zum Schlaf. Ungefähr um vier in der Frühe fängt Becky wieder an, und sie wird wach davon und steht auf. Das Nachthemd flattert leicht gegen ihren Körper. Ihre Haut ist ungewöhnlich feinfühlig, während sie sich bewegt. Sie legt das Baby trocken und nimmt es mit ins Bett, um es zu stillen. Becky saugt ihr die Milch heraus,
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