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Hasenherz

Hasenherz

Titel: Hasenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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hat Harry plötzlich die Gemeinheit seiner Hure ins Spiel gebracht und verlangt, daß sie das fein finde, und diese Ungerechtigkeit preßt ihr die Tränen heraus, sie weint leise vor sich hin, als ob vom leeren Bett neben ihr etwas Böses über sie gekommen sei.
    Die letzten Stunden sind wie eine schmale Röhre, durch die sie ihre Gedanken nicht zwängen kann. Wieder und wieder schwemmt in ihr sein «Dreh dich um!» auf, und sie wird nicht fertig damit, es bereitet ihr Übelkeit und würgt sie. Sie steht auf und wandert im Zimmer umher, und ihre eine Brust ist ganz straff, und die Warze tut weh. Sie geht in die Küche, auf bloßen Füßen, und schnuppert an dem leeren Glas, in dem Harry ihr vorhin den Whisky gebracht hat. Der Rest riecht dunkel und rauh und weich und tief, sie denkt, vielleicht wird ein Schluck ihr die Schlaflosigkeit nehmen. Vielleicht schläft sie dann bis der Schlüssel im Schloß sie aufweckt und sie den großen wilden Leib einfältig sich hereinschieben sieht, und dann wird sie sagen: »Komm ins Bett, Harry, es ist alles gut, tu mit mir, was du willst, wirklich, ich will,>
    Sie gießt zwei Fingerbreit Whisky ins Glas und ganz wenig Wasser, man trinkt sonst so lange daran, und kein Eis, weil es zu viel Lärm gibt, wenn sie die Würfel löst, und die Kinder könnten aufwachen. Sie nimmt das Glas zum Fenster mit und sieht über die drei Teerdächer hinweg in die schlafende Stadt. Hier und da leuchten schon matt ein paar Küchen- und Schlafzimmerfenster. Ein Auto fährt die Wilbur Street hinunter, der Stadtmitte zu; seine Lampen glimmen wie zwei trübe Scheiben, werfen keinen Schein in die mürbe Dunkelheit. Über die Autostraße, die halbverborgen hinter den Silhouetten der Häuser sich hinwindet wie ein Fluß zwischen baumbestandenen Ufern, schwirrt zu dieser frühen Stunde schon heftiger Verkehr. Sie fühlt den neuen Werktag wie eine Armee des Lichts herannahen, fühlt, wie die dunklen, schmalfirstigen Häuser da unten sich räkeln, erwachen, sich auftun wie Burgen und ihre Mannen ausschicken, und sie bedauert es, daß ihr eigener Mann unfähig ist, sich diesem Rhythmus einer ganzen Nation einzugliedern, in dem eben ein neuer Taktschlag anhebt. War um gerade er nicht? Was ist so besonders an ihm? Zorn auf Harry keimt in ihr auf, und um ihn zu ersticken, trinkt sie das Glas vollends aus. Sie wendet sich um im Zwielicht; jeder Gegenstand in der Wohnung ist ein brauner Schatten. Sie fühlt sich so schief, der Druck in der ungeleerten Brust zieht sie zur einen Seite. Sie geht in die Küche zurück und mischt sich einen neuen Whisky, einen stärkeren diesmal; sie denkt, es sei jetzt wirklich an der Zeit, daß sie sich auch mal ein Vergnügen gönnt. Seit sie aus der Klinik raus ist, hat sie keinen Augenblick für sich selber gehabt. Der Vorsatz, sich ein Vergnügen zu machen, gibt ihren Bewegungen Leichtigkeit und Gewandtheit. Sie rennt auf bloßen Füßen über den krümeligen Teppich ans Fenster zurück, als finde dort draußen eine Schau statt, die allein für sie aufgezogen ist. Sie steht über allem, was sie sehen kann, und sie drückt mit den Fingern gegen ihre harte Brust, und die Milch bricht hervor und befleckt das weiße Nachthemd mit träger Wärme.
    Die Feuchtigkeit rinnt an ihrem Leib herab und wird kalt im Luftzug am Fenster. Die Krampfadern tun ihr weh vom langen Stehen. Sie setzt sich auf den klapperigen braunen Sessel, und ihr ist ganz schlecht von dem Winkel, in dem die melierte Wand auf die teigige Zimmerdecke stößt. Dieser Winkel stellt ihr Inneres auf den Kopf, läßt sie umkippen. Das Tapetenmuster schwärmt durcheinander: die Blumen sind braune Flecken, die in einem trüben Brei schwimmen und einander jagen und gierig verschlingen. Es ist widerwärtig. Sie wendet die Augen weg und läßt sie auf dem reglosen grünen Schirm des Fernsehapparates ruhen. Ihr Nachthemd vorn wird langsam wieder trocken, die verkrusteten Flecken kratzen. Im Säuglingsbuch steht: Brustwarzen sauberhalten, vorsichtig waschen. Selbst in die winzigsten Hautverletzungen dringen Bazillen ein. Sie stellt das Glas auf der runden Armlehne ab und steht auf und zieht sich das Nachthemd über den Kopf und setzt sich wieder hin. Ihre Nacktheit ist mit einem moosigen Schimmer überzogen. Sie knüllt das Nachthemd im Schoß zusammen, auf der Binde und dem Gürtel, und zieht sich mit den Zehen geschickt den Fußschemel heran, legt die Füße drauf und bewundert ihre Beine. Sie war immer überzeugt davon, daß sie

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