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Hasenherz

Hasenherz

Titel: Hasenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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einmal mit Ruth gegangen war, was ihn auf sicherem Posten unter einer Roßkastanie fünf räudigen Bengels zusehen ließ, die mit einem Tennisball und einem Besenstiel spielten, was ihn schließlich in die Weiser Street zurückschwemmte, in den Drugstore, von dem aus er dann anrief, was ihn nicht zur Ruhe kommen ließ: das war die Hoffnung, er werde irgendwo einen Ausweg finden. Denn was ihn so krank machte an Janice, war nicht, daß sie dies eine Mal recht hatte und er sich falsch und dumm benommen hatte, sondern daß sie ein Gefühl in ihm entzündete, als sei er umstellt, umzingelt. Er war in die Kirche gegangen und hatte eine kleine Flamme heimgebracht, aber nirgends war ein Platz, sie leuchten zu lassen, nur die dunklen, dumpfen Wände der engen Wohnung; so hatte sie geblakt und war schließlich erloschen. Auch das Gefühl, daß er nicht immer imstande sein würde, diese Flamme zu entfachen. Was ihn den ganzen Tag festgehalten hatte, das war das sichere Gefühl, irgendwo warte etwas Besseres auf ihn als Babygeschrei und die Lügen in der Gebrauchtwagen-Handlung. Und dies Gefühl versucht er jetzt in sich zu töten, hier, in diesem Omnibus, er umkrallt die verchromte Stange und beugt sich weit über zwei Frauen in weißgefältelten Blusen und über Schöße voller Gepäck und schließt die Augen und versucht, es zu töten. Die Schlinge in ihm wächst sich zu einer handfesten Übelkeit aus, und er klammert sich hundeelend an die eisige Stange, als der Bus um den Berg herum schwingt. Er steigt viele Straßenecken zu früh aus, in Schweiß gebadet. Hier, in Mt. Judge, sind die Schatten schon tief herabgekrochen; für Brewer aber hält die Sonne noch viel Glut bereit, sie reitet auf dem Grat des Berges. Sein Schweiß trocknet ein, und er kann kaum atmen. Er rennt, um seinem Körper Beschäftigung zu geben, um seinen Geist leer zu rütteln. An einer Reinigungsanstalt vorbei, die seitlich eine kleine Esse hat, aus der der Dampf zischt. Durch die Öl- und Gummigerüche, die über dem Asphaltplatz einer Esso-Tankstelle stehen, rings um die roten Pumpen. Am Rasen vorm Rathaus und an der Gedenktafel vorbei, die für die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs aufgestellt wor den ist und viele wellige, rostige Namensplaketten hinter Glas trägt.
    Als er am Springerschen Haus läutet, öffnet Mrs. Springer ihm die Tür, aber sofort schlägt sie sie wieder zu. Der olivgrüne Buick steht draußen, Rabbit weiß also, daß Eccles da ist; nach einer kleinen Weile kommt Jack an die Tür und läßt ihn ins Haus. «Ihre Frau hat ein Beruhigungsmittel bekommen und schläft», sagt er leise im trübgrauen Korridor.
    «Das Baby …»
    «Es ist beim Beerdigungsunternehmer.»
    Rabbit will laut schreien, so ungebührlich erscheint es ihm, daß der Beerdigungsunternehmer sich eines so winziges Körpers bemächtigt, er denkt, man müsse ihn ganz schlicht begraben, wie den Leichnam eines Vogels, einfach ein kleines Loch ins Gras stechen. Aber er nickt. Er spürt, daß er sich nie wieder irgend jemandem widersetzen wird.
    Eccles geht nach oben, und Harry setzt sich auf einen Stuhl und sieht dem Licht zu, das durchs Fenster fällt und über einen kleinen Glastisch voller Farne und Alpenveilchen und Kakteen spielt. Die Blätter, die von den Strahlen getroffen werden, leuchten grüngolden; und die Blätter ganz vorn, im Schatten, sehen wie schwarzgrüne Löcher aus, die ins goldene Leuchten hineingeschnitten sind. Jemand kommt die Treppe herab mit polternden Schritten. Er wendet nicht den Kopf, zu sehen, wer es sein mag. Er will es nicht riskieren, irgend jemandem ins Gesicht zu sehen. Eine rauhweiche Berührung an seinem Arm: Nelsons Augen stehen vor ihm. Das Gesicht des Kindes ist ganz groß und glänzend vor Neugier. «Mami schläft», sagt es in tiefem Ton und ahmt damit die tragisch-verhangenen Stimmen nach, die es ständig hört.
    Rabbit zieht ihn zu sich auf die Knie. Der Junge ist schwerer und größer als sonst. Sein Körper ist wie eine Decke; Rabbit zieht den kleinen Kopf an seinen Hals heran. «Baby krank?» fragt Nelson.
    «Baby krank.»
    «Ganz großes Wasser in der Wanne», sagt Nelson und strampelt sich frei, um sich aufrichten zu können und mit den Armen anzugeben, wie groß. «Ganz viel Wasser», sagt er. Er muß es gesehen haben. Er will herunter von den Knien seines Vaters, aber der hält ihn fest in seiner Angst. Das Haus ist stickig von einer Trauer, die den Jungen verstört. Und umgekehrt: der Körper des Jungen vibriert von

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