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Hasenherz

Hasenherz

Titel: Hasenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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greift das Wasser um ihre Arme, und vor ihren verwunderten Augen geht das rosa Baby wie ein grauer Stein unter.
    Sie protestiert schluchzend, sie will das Kind hochreißen, aber das Wasser stößt ihre Hände zurück, greift nach dem Bademantel, und das glitschige Ding schlüpft immer wieder davon in der jäh undurchdringlichen Masse. Plötzlich packen ihre Hände zu, sie fühlt einen Herzschlag an ihrem Daumen, dann gleitet der Klumpem wieder weg, an der hüpfenden Wasseroberfläche brechen sich viele blasse Rechtecke, das eine feste Rechteck aber ist ungreifbar. Es dauert nur einen Augenblick, aber dieser Augenblick ist mit dem Maß einer zäher fließenden Zeit gemessen. Dann hat sie Becky, sie hält sie fest mit beiden Händen, und alles ist gut.
    Sie hebt sie an die Luft und drückt sie an ihre triefende Brust. Das Wasser fließt in Strömen von ihnen beiden auf die Badezimmerfliesen hinab. Der kleine gewichtlose Körper liegt schlaff an ihrem Hals, sie wirft einen raschen, erleichterten Blick auf das Kind, aber sein Gesicht wirkt seltsam geronnen. Verzerrt steigt eine Erinnerung in ihr auf, wie man künstliche Atmung vornimmt, und ihre kalten nassen Arme pumpen in wahnsinnigem Rhythmus die des Kindes auf und nieder. Hinter ihren fest zugedrückten Lidern steigen dunkelrote riesige Gebete auf, wortlos, monoton, und es ist, als umklammere sie die Knie eines unermeßlichen Dritten, dessen Name, Vater, Vater, mit spürbaren Schlägen gegen ihren Kopf trommelt. Ihr wild aufgerührtes Herz über flammt das Universum mit einem Meer von Rot, aber kein Funke springt auf unter ihren Armen. Nicht die leiseste Antwort keimt aus der Finsternis, die gegen sie steht, trotz all ihrer strömenden Gebete. Und das Gefühl, daß ein Dritter neben ihr ist, wächst ins Riesenhafte, und sie weiß, weiß, während es laut an der Tür klopft, daß ihr das Schlimmste widerfahren ist, was einer Frau auf dieser Welt je widerfahren kann.
     

 
     
     
     
     
     
     
    Jack kommt vom Telefon zurück, sein Gesicht trägt eine erschreckende Farbe.
    «Janice Angstrom hat aus Versehen ihr Baby ertränkt.»
    «O Gott, wie war das möglich?»
    «Ich weiß nicht. Ich fürchte, sie war betrunken. Sie ist jetzt ohne Bewußtsein.»
    «Und wo war er?»
    «Das weiß niemand. Man erwartet von mir, daß ich ihn finde. Das war eben Mrs. Springer.»
    Er setzt sich auf den großen Sessel mit den Lehnen aus Walnußholz, der seinem Vater gehört hat, und Lucy erkennt voller Abscheu, daß ihr Mann in die Jahre kommt. Sein Haar lichtet sich, seine Haut ist trocken, er sieht müde aus. Sie schreit: «Warum vergeudest du dein Leben damit, auf diesen Taugenichts aufzupassen?»
    «Er ist kein Taugenichts. Ich liebe ihn.»
    «Du liebst ihn! Mir wird schlecht davon. Mir wird wirklich schlecht davon, Jack. Warum versuchst du nicht mal, mich zu lieben, mich oder deine Kinder?»
    «Das tue ich doch.»
    «Nein, das tust du nicht, Jack. Reden wir doch nicht drum herum. Du erträgst es nicht, jemanden zu lieben, der dich wiederlieben könnte. Du hast Angst davor, nicht wahr? Du hast Angst davor.» Sie saßen gerade beim Tee im Arbeitszimmer, als das Telefon klingelte, und er hebt jetzt die leere Tasse auf, die zwischen seinen Füßen steht, und sieht hinein, auf den Boden. «Mach keine Geschichten, Lucy. Mir ist zu elend zumut.»
    «Dir ist elend zumut, ja, und mir ist elend zumut. Mir ist elend zumut, seit dem Tag, an dem du dich mit diesem Vieh eingelassen hast. Er gehört nicht mal zu deiner Gemeinde.»
    «Jeder Christ gehört zu meiner Gemeinde.»
    «Christ! Wenn der ein Christ ist, dann dank ich meinem Schöpfer, daß ich keiner bin. Christ. Bringt seine Kinder um, und du nennst ihn einen Christen.»
    «Er hat das Kind nicht umgebracht. Er war nicht da, es war ein Versehen.»
    «Aber seine Schuld ist es trotzdem. Geht über alle Berge und läßt seine Idiotenfrau ein Besäufnis veranstalten. Du hättest die beiden nicht wieder zusammenbringen sollen. Sie hatte sich an den neuen Zustand gewöhnt, und so eine entsetzliche Sache wäre nie passiert.»
    Eccles zuckt mit den Wimpern. Die Erschütterung hat eine große objektivierende Distanz zwischen ihn und seine Umwelt gelegt. Er ist sehr beeindruckt von der Art, in der sie rekonstruiert, was geschehen sein muß. Er denkt darüber nach, warum ihre Worte so rachsüchtig klingen. «Vieh», das ist ein ungewöhnlich harter Ausdruck in ihrem Mund. «So, du willst also sagen, daß in Wahrheit ich das Kind umgebracht

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