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Hasenherz

Hasenherz

Titel: Hasenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Hüfttasche.
    «Nein, nein, so hab ich's nicht gemeint. Ich hab gar nichts gemeint. Mir ist das nur so in meinen blöden Schädel gekommen.» Sie ist verlegen, ihr Hals wird rotfleckig, und in Rabbit erwacht das Mitleid: sie ist so hübsch gewesen in der Nacht.
    Er erklärt es ihr. «Der alte Herr meiner Frau ist Gebrauchtwagenhändler, und als wir geheiratet haben, da hat er uns diesen Wagen verkauft, zu einem beträchtlichen Rabatt. Und dadurch gehört der Wagen in gewisser Weise natürlich auch meiner Frau, und weil sie doch das Kind hat, denke ich, sie müßte ihn für sich kriegen. Und mein Hemd ist schmutzig, wie du ja selber sagst, und ich müßte mir meine Sachen holen. Was ich mir also gedacht habe, ist folgendes: ich spring nach dem Essen rasch rüber, laß den Wagen da und pack meine Sachen zusammen.»
    «Angenommen, sie ist da?»
    «Sie ist nicht da. Sie ist bei ihrer Mutter.»
    «Ich glaube, du fändest es gut, wenn sie da wär», sagt Ruth. Er denkt darüber nach. Er stellt sich vor, daß er die Tür öffnet und Janice da im Sessel sitzt, mit einem leeren Glas in der Hand, und auf den Fernsehschirm starrt, und wie ein kleiner Erdrutsch in seinem Innern, wie ein Stück Brot, das ihm im Hals steckengeblieben ist und nun endlich runterrutscht, fühlt sich seine Erleichterung darüber an, daß ihr Ge sicht heil ist, daß sie noch immer dasselbe alte, taube, bockige Walnußgesicht hat. «Nein, ganz sicher nicht», sagt er zu Ruth. «Ich habe Angst vor ihr.»
    «Offensichtlich», sagt Ruth.
    «Irgendwie hat sie –» er bleibt dabei – «hat sie was Bedrohliches.»
    «Diese arme Frau, die du alleingelassen hast? Du hast was Bedrohliches, scheint mir.»
    «Nein.»
    «Ach ja, richtig. Du hältst dich ja für ein Kaninchen.» In ihrem Ton schwingen Spott und Gereiztheit, er weiß nicht, warum. «Was hast du eigentlich mit deinen Sachen vor, wo willst du damit hin?» fragt sie. Daher also, sie fürchtet, daß er hier einzieht.
    Er gibt es zu. «Sie hierher bringen.»
    Sie zieht laut den Atem ein, aber nichts kommt. «Nur für heute nacht», bittet er. «Du hast doch nichts vor, oder?»
    «Vielleicht. Ich weiß noch nicht. Wahrscheinlich nicht.»
    «Na also. Wunderbar. Ich liebe dich.»
    Sie steht auf, um den Tisch abzuräumen, umfaßt einen Teller mit den Händen und starrt auf die weiße Tischplatte nieder. Sie schüttelt schwer den Kopf und sagt: «Du bist eine schlimme Neuigkeit.»
    Ihr breites Becken ihm gegenüber, von genopptem braunem Tuch umschlossen, ist beruhigend und symmetrisch wie die Basis einer mächtigen Säule. Sein Herz steigt auf in dieser Säule, und starr vor Glück, in einem Gefühl neu aufkeimender Liebe, sagt er: «Ich kann nichts dafür. Du bist eine so gute Neuigkeit.» Aber er wagt nicht, die Augen zu ihrem Gesicht zu heben dabei.
    Er ißt drei Stücke von dem Kuchen, und ein Krümel davon bleibt in seinem Mundwinkel hängen und gerät von da auf ihren Pullover, als er zum Abschied ihre Brüste küßt in der Küche. Er läßt sie allein mit dem Geschirr. Geheimnisvoll steht sein Wagen da in der Cherry Street, am kühlen Frühlingsmittag, und wartet auf ihn. Als habe sich eines der Zimmer eines Hauses, das ihm gehört, losgemacht und sei versunken hier, an diesem Kantstein, und als rage es nun, da die Fluten der Nacht zurückgewichen sind, schimmernd auf vom Grund, leicht geneigt, aber unbeschädigt, bereit, loszusegeln, sobald ein Schlüssel herumgedreht wird. Sein Körper unter den zerdrückten, schmutzigen Kleidern fühlt sich sauber an, knapp und hohl. Das Auto riecht nach Sicherheit: Gummi und Staub und lackiertes Metall, das heiß ist in der Sonne. Eine Scheide für das Messer, ihn, Rabbit. Er schneidet sich durch die sonn tagbefangene Stadt, durch die vertrauten Backstein-Häuserzeilen, durch die Reihen balustradengezierter Veranden, Tümpel der Ruhe aus Holz. Er umfährt die breite Flanke des Mount Judge. Der Hang, der auf die Autostraße niederfällt, ist gelbgrün überstäubt mit jungem Laub. Weiter oben ziehen die immergrünen Bäume einen schwarzen Horizont gegen den Himmel. Die Aussicht ist anders geworden, seit er das letzte Mal diesen Weg gefahren ist. Gestern morgen war der Him mel gestreift mit dünnausgesponnenen Zwielichtwolken, und Rabbit war erschöpft, als er auf den Mittelpunkt des Netzes zustrebte, dorthin, wo allein noch eine Chance auf Ruhe zu bestehen schien. Inzwischen hat der Mittag eines neuen Tags die Wolken aufgesogen, und der Himmel ist leer und kalt in

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