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Hasenherz

Hasenherz

Titel: Hasenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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der Windschutzscheibe, und Rabbit fühlt nichts vor sich, Ruths köstliches Nichts, das Nichts, das sie gefühlt hat, wie sie sagte. Ihre Augen waren genauso blau. Ungetrübt. Das Herz hebt sich für immer in diesen leeren Himmel.
    Diese Stimmung, in der Schwebe zu sein, zerbröckelt, als er hinab fährt zu den vertrauten Häusern von Mt. Judge. Er wird vorsichtig, nervös. Er biegt in die Jackson Street ein, fährt die Potter Avenue hinauf, dann die Wilbur Street, und sucht nach einem äußerlichen Anzeichen, ob jemand in der Wohnung ist. Kein warnendes Lampen licht zeigt sich, denn der Tag steht ja im Zenit. Kein Auto steht vor der Tür. Zweimal fährt er um den Block herum und reckt sich den Hals aus, ob sich nicht ein Gesicht am Fenster zeigt. Violette, undurchsichtige Scheiben. Ruth hat unrecht gehabt, er will Janice nicht sehen.
    Die bloße Möglichkeit, daß es sich doch ergeben könnte, schwächt ihn derart, daß die helle Sonne ihn fast umwirft, als er aussteigt. Er geht die Treppe hinauf, und ihm ist, als wägten die Stufen ihn, als hielten sie ihn fest und verwehrten seinem angstgeblähten Körper, wie ein Ballon sich emporzuheben. Er klopft an die Tür, bereit zum Wegrennen. Kein Laut auf der andern Seite. Er klopft noch einmal, lauscht und holt dann den Schlüssel aus der Tasche.
    Die Wohnung ist leer, aber sie ist so voll von Janice, daß er zittert. Der Anblick des Sessels, der dem Fernsehapparat zugewandt ist, attack iert seine Knie. Nelsons kaputtes Spielzeug auf dem Fußboden schmerzt in seinem Kopf. Alles, was in seinem Schädel ist, die graue Substanz, die Knöchelchen seiner Ohren, der Apparat seiner Augen, scheint sich zusammenzuknäulen und die Röhre zu verstopfen, als die er sich fühlt; auch seine Stirnhöhle ist verstopft – mit einem Niesen oder mit Tränen, er weiß es nicht. Das Wohnzimmer riecht nach Staub. Die Rouleaus sind noch immer herabgelassen. Janice zog sie nachmittags immer runter, um den Tagesschein vom Bildschirm fernzuhalten. Ir gendwer hat Anstalten gemacht, ein bißchen aufzuräumen: die Aschen becher und das leere Glas sind fort. Rabbit legt Wohnungs- und Auto schlüssel auf den Fernsehapparat, braunbemaltes Metall, das so ausse hen soll wie gemasertes Holz. Er macht die Schranktür auf, und der Knauf bumst gegen die Kante des Apparats. Ein paar von ihren Kleidern fehlen.
    Er will seine Sachen herausholen, aber statt dessen dreht er sich um und durchstreift die Wohnung, versucht, in die Witterung zu bekom men, was sie getan hat. Das Bett muldet sich im gefilterten Sonnenlicht. Es ist nie ein gutes Bett gewesen. Ihre Eltern hatten es ihnen geschenkt. Auf der Kommode stehen ein paar von ihren Töpfchen und Tiegelchen herum, eine Nagelschere liegt dort, eine weiße Garnrolle und eine Nadel, ein paar messinggelbe Haarnadeln, ein Telefonbuch und eine kleine Tischuhr mit Leuchtziffern, ein Rezept, das sie aus einer Zeitschrift herausgeschnitten aber nie ausprobiert hat, und eine Halskette aus javanischen geschnitzten Holzperlen, ein Weihnachtsgeschenk von ihm. Unsicher lehnt der große ovale Spiegel an der Wand, den sie weggenommen haben, als ihre Eltern ihnen eine neue Badezimmereinrichtung spendierten, und den er immer an der Wand über ihrer Frisier kommode anbringen wollte, aber nie ist er dazu gekommen, die Dübel zu besorgen. Auf dem Fensterbrett steht ein Glas, halb gefüllt mit schalem, blasigem Wasser, das einen geschwungenen, blassen Licht fleck auf die leere Wand wirft, wo der Spiegel hängen sollte. Drei lange Rillen hier an der Wand, parallellaufend; wann und wie sind die ent standen? Hinter der Kante des gemachten Bettes leuchtet ein weißes dreieckiges Stück Badezimmerfußboden. Ihr Duschbad damals, ihr rosigglänzender, dampfender Hintern, ihr glückliches Gesicht, als sie die Arme hob, um ihn zu küssen, die nassen Löckchen in ihren Achsel höhlen. Was für ein Glücksgefühl hat sie damals überflutet und dann auch ihn, ganz unverhofft?
    In der Küche bietet sich ihm ein trauriges Bild: die Schweinekote letts, die nie aus der Pfanne genommen worden sind und kalt wie der Tod in erstarrtem Fett liegen. Er kippt sie in den Papiersack unterm Ausguß und kratzt mit einem Spatel das steife, speckige Fett los. Der dunkelbraun melierte Sack auf dem Fußboden riecht nach etwas süß lich vor sich hin Faulendem. Er rätselt, was es sein könnte; der Müllei mer steht gleich unten an der Hintertür, aber Rabbit will jetzt nicht hinausgehen und dann wieder in die

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