Hasenherz
sein? Hältst du dich für den Satan oder so jemand?»
Das verblüfft sie, sie hält inne mit dem Kämmen, dann lacht sie. «Na meinetwegen, wenn dein Glaube dich glücklich macht!»
Er läßt nicht locker. «Warum glaubst du an nichts?»
«Du bist albern.»
«Nein. Hast du nie, nicht mal für einen Augenblick, das Gefühl, daß so was existiert?»
«Du meinst Gott? Nein. Ich bin vom Gegenteil überzeugt. Immer schon.»
«Wenn's aber Gott nicht gibt, wieso gibt es dann irgend etwas auf der Welt?»
«Wieso? Da gibt es kein Wieso. Die Dinge sind eben. »Sie steht vorm Spiegel und zieht den Kamm nach hinten durchs Haar, und ihre schwel lende Oberlippe kräuselt sich dabei hoch und entblößt grauschimmernde, nasse Zähne.
«So empfinde ich dich aber keineswegs», sagt er, «daß du einfach bist .»
«He, was hältst du davon, wenn du dich langsam anziehst, anstatt dazuliegen und mir eine Predigt zu halten?»
Das und wie sie sich dabei herumdreht mit flatterndem Haar, das erregt ihn. «Komm her», sagt er. Der Gedanke, es zu tun, während die Kirchen voll sind, rührt sein Inneres um.
«Nein», sagt Ruth. Sie ist tatsächlich ein bißchen irritiert. Daß er an Gott glaubt, paßt ihr nicht.
«Du magst mich jetzt nicht?»
«Was macht dir das schon aus?»
«Du weißt, wieviel.»
«Geh raus aus meinem Bett.»
«Ich glaube, ich schulde dir fünfzehn Dollar zusätzlich.»
«Alles, was du mir schuldest, ist zu verschwinden, verdammt nochmal.»
«Was? Ich soll dich allein lassen?» Er sagt das mit gespieltem komi schen Entsetzen, und während sie dasteht wie angewurzelt, rafft er ein paar von seinen Sachen an sich, ist mit einem Satz im Badezimmer verschwunden und schließt die Tür hinter sich. In Unterkleidern kommt er wieder heraus und sagt, noch immer scherzend: «Du magst mich nicht mehr», und geht traurig zum Stuhl, über dem säuberlich seine Hose liegt. Ruth hat das Bett gemacht, während er draußen war.
«Ich mag dich noch genug», sagt sie zerstreut und zieht den Bettüberwurf glatt.
«Genug wozu?»
«Genug.»
«Warum magst du mich?»
«Weil du größer bist als ich.» Sie geht auf die andere Seite des Bettes und zieht an der Decke. «Verstehst du, das hat mich immer wahnsinnig gewurmt, daß sich die kleinen Frauen alle die großen Männer weg schnappen, bloß, weil jeder denkt, die Kleinen sind so niedlich.»
«Sie haben schon was», sagt er. «Man kommt, glaube ich, leichter an sie ran.»
Sie lacht und sagt: «Ja, das stimmt, nehme ich an.»
Er zieht seine Hose hoch und schnallt den Gürtel zu. «Gibt's noch einen andern Grund, weshalb du mich magst?»
Sie sieht ihn an. «Soll ich's dir sagen?»
«Sag es mir.»
«Weil du nicht aufgegeben hast. Weil du auf deine dumme Weise immer noch kämpfst.»
Es ist gut für ihn, das gesagt zu bekommen. Freude rieselt ihm durchs Mark, er fühlt sich sehr groß und grinst. Aber der amerikanische Hang zum Untertreiben regt sich in ihm. «Der Wille zum Erfolg», kommt es spöttisch über seine Lippen.
«Das arme alte Schwein», sagt sie. «Er ist wirklich ein armes Schwein.»
«Paß auf, ich hab eine Idee», sagt Rabbit, «ich geh rüber und hol ein paar Sachen in dem Feinkostgeschäft da, dann kannst du uns was zum Mittag kochen.»
«Du läßt dich hier häuslich nieder, wie?»
«Wieso? Bist du jetzt mit jemand verabredet?»
«Nein, ich habe niemand.»
«Na also. Gestern abend hast du gesagt, du kochst so gern.»
«Ich habe gesagt, ich hätte gern gekocht.»
«Ach was, wenn du's gern getan hast, dann tust du's immer noch gern. Was soll ich mitbringen?»
«Woher weißt du, daß der Laden überhaupt offen hat?»
«Sicher hat er offen. Diese kleinen Geschäfte können nur am Sonntag was verdienen, wegen der Supermarkets.» Er geht ans Fenster und sieht zur Straßenecke hinüber. Natürlich, die Tür des Ladens geht auf, und ein Mann kommt heraus, mit einer Zeitung.
«Dein Hemd ist schmutzig», sagt sie hinter ihm.
«Ich weiß.» Er geht aus dem Licht. «Es gehört Tothero. Ich muß mir ein paar Sachen holen. Aber erst laß mich was zum Essen einkaufen. Was soll ich holen?»
«Was magst du denn?» fragt sie.
Sie ist ganz einfach gutartig, das ist es. Er hat das sofort gewußt, als er sie bei den Parkuhren stehen sah. An der Art, wie ihr Bauch sich wölbte, so sanft, allein daran schon hat er's gemerkt. Man kommt nie klar mit Frauen, sie wollen was anderes, sie sind von einer völlig anderen Art. Entweder sie saften wie eine Pflanze, oder sie
Weitere Kostenlose Bücher