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Hasenherz

Hasenherz

Titel: Hasenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Blüten in Scharen sprießen, erinnern sie Rabbit an nichts so sehr wie an die Hüte von kleinbürgerlichen Mädchen, wenn sie zu Ostern in die Kirche gehen. Er hat sich oft ein solches Mädchen gewünscht, aber nie eines gehabt: eine kleine Katholikin aus schäbigem Haus, mit grellbuntem Fähnchen. In den dunklen Kelchblättern unter der kecken, weichen Kappe der fünfblätterigen Blumen sieht er deutlich ihr Gesicht mit den gezupften Brauen, den kleinen schwarzen Nasenlöchern, rund wie Knöpfe, und den Augen, die von Nonnen verstockt gemacht worden sind. Er kann fast ihr Parfüm riechen, als sie gesenkten Kopfes an ihm vorbeigeht, die Betonstufen der Kirche hinauf, mit stöckerigen Beinen, die fest in den Kostümrock geschraubt sind. Sie betet emsig, und wie alle törichten Mädchen hat sie die süße, rührende Eigenschaft, sich gleich mit dem ganzen Körper einer Sache hinzugeben. Ganz nah, er geht ganz nah an die Blüten heran. Eine jede trägt über ihrem Mund einen Sommersprossenfächer, da, wo die Staubbeutel ihre Fracht verlieren. Ja, er kann sie wirklich riechen.
    Als der Garten ihres verstorbenen Gatten diesen Höhepunkt erreicht hat, verläßt Mrs. Smith das Haus und geht, auf Rabbits Arm gestützt, tief in das Rhododendronblühen hinein. Einst war sie eine Frau von stattlicher Größe, jetzt aber ist sie gebückt und ein wenig geschrumpft, und die schwarzen Strähnen, die noch in ihrem weißen Haar verweilen, wirken schmutzig. Sie hat einen Stock mitgenommen, aber sie hängt ihn sich über den Arm, aus Zerstreutheit vielleicht, und dort baumelt er wie ein großer fremdländischer Schmuck, während sie mit unsicheren Schritten ihren Weg nimmt. Sie benutzt ihren Gärtner als Stütze: er muß den rechten Arm anwinkeln, den Ellenbogen ihrer Schulter zuge wandt, und dann schiebt sie zitterig ihren linken Unterarm durch die Lücke und legt ihre knollige, sommersprossige Hand schwer auf sein Handgelenk. Sie hält sich an ihm fest wie ein Rebstock an einer Mauer: eine einzige kräftige Bewegung kann ihn abreißen, wenn die aber nicht geschieht, wird er alle Wetter überstehen. Rabbit fühlt, wie ihr Körper bei jedem Schritt erschüttert, und bei jedem Wort wackelt ihr Kopf. Nicht, daß die Anstrengung des Sprechens so groß wäre; die Erregung des Sichmitteilens ist es, die sie so gepackt hat, die ihr den Nasenbogen in tausend Fältchen legt, die ihre Lippen über den verwitterten Zähnen auf- und zuklappen läßt in komischer Übertreibung und Befangenheit; ihr Mienenspiel hat etwas von den Grimassen einer Dreizehnjährigen, die andauernd zugeben will, daß sie nicht hübsch geraten ist. Ruckartig wirft die alte Dame den Kopf hoch, um Harry ansehen zu können, und ihre rissigen blauen Augen wölben sich wild, voll gefangenen Lebens, aus den winzigen braunen Höhlen hervor, die rings mit Fältchen zu sammengeschnürt sind wie ein Beutel mit Bändern. «Oh, ich mag Mrs. R. S. Holford einfach nicht. Sie kommt mir immer so verwaschen und abgegriffen vor. Harry hat diese Lachsschattierungen so geliebt; ich sagte immer zu ihm: , habe ich immer zu Harry gesagt, ; einfach um ihn zu necken, habe ich das gesagt. Aber im stillen meinte ich es auch.» Diese Erinnerung scheint sie zu bestür zen. Sie bleibt wie angewurzelt auf dem Graspfad stehen, und ihre Augen, die Pupillen weißlich wie gesprungenes Glas inmitten von beharrlich blauen Ringen, rollen nervös hin und her, von einer Seite zur andern. «Jedes Wort habe ich im stillen genauso gemeint. Ich bin nämlich eine Farmerstochter, Mr. Angstrom, und mir wär's lieber gewesen, man hätte Luzerne ausgesät. Ich sagte zu ihm: Ich hätte das auch wirklich gemacht. Ich fragte ihn: Er war jünger als

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