Hass
Daniel Rafferty, rückte seine dicke Brille zurecht, damit er die Ausweise genau betrachten konnte, obwohl sie schon zweimal überprüft worden waren, und schüttelte ihnen dann die Hand. »Courtney hatte in der Nacht Atembeschwerden, also haben wir ihn hierher verlegt. Er hatte über die Jahre immer mal wieder Probleme mit dem Herzen, aber nie etwas Lebensgefährliches. Trotzdem sind wir lieber vorsichtig. Er liegt im zweiten Stock. Hier entlang.«
Sherlock flüsterte hinter vorgehaltener Hand, als der Direktor einige Schritte entfernt war: »Wir werden vom Direktor persönlich empfangen, der unseren Massenmörder Courtney nennt? Hört sich an, als versorgen sie ihn so gut, dass er ihnen ein neues Gebäude spendiert, wenn er jemals Bewährung bekommt.«
Rafferty lachte, drehte sich um und lächelte sie an. »Die Akustik hier ist wirklich phänomenal. Sie haben natürlich recht. Courtney James ist eine Klasse für sich. Denken Sie, dass er wirklich ein Massenmörder ist?« Der Direktor zuckte die Achseln. »Na ja, er hat lebenslänglich bekommen, was spielt das also noch für eine Rolle? Ich mag den alten Kauz wirklich gern. Ich habe nie geglaubt, dass er wahllose Morde begangen haben soll, weil es ihm eine Stimme befohlen hat. Hier entlang bitte.«
Savich und Sherlock folgten dem Direktor durch zwei Sicherheitstüren, die beide von Männern bewacht wurden, die für einen Moment ihren beängstigenden Gesichtsausdruck ablegten, als Sherlock ihnen zunickte und sie freundlich anlächelte.
Rafferty stieß mit einem Arzt zusammen, der gerade aus Courtney James’ Zimmer kam. Es war ein Einzelzimmer, bemerkte er, weil keiner der anderen Insassen dem alten Mann auf die Pelle rücken wollte. »Der Doktor hier wird Ihnen sagen, dass selbst die schlimmsten Verbrecher und die bösartigsten Psychopathen Courtney aus dem Weg gehen. Sie lassen ihm beim Essen den Vortritt, passen sich seinen langsamen Schritten während des Hofgangs an, damit er nicht allein ist. Er hat genug Geld, um ihnen so ziemlich alles zu beschaffen, legal oder nicht – Sie wissen schon, Zigaretten, Süßigkeiten, CDs und so etwas -, aber er behandelt sie mit Respekt. Er schenkt mir sogar jedes Jahr einen leckeren Früchtekuchen zu Weihnachten, der von irgendwelchen Mönchen in Oregon hergestellt wird, und lässt eine Kiste Donuts für die Gefangenen und Wachen einfliegen.«
Dr. Burgess, ein irgendwie zerknittert wirkender Mann mit runden Schultern, sah Savich und Sherlock aus alten, müden Augen an und wandte sich dann Rafferty zu. »Mir schickt er auch jedes Jahr einen Früchtekuchen. Courtney geht es gut. Ich habe ihn vom Sauerstoff genommen. Ich denke, er hat sich nur bei der großen Pokerrunde gestern Abend verausgabt und ist jetzt geschafft.«
Sherlock hob eine Augenbraue.
Rafferty lachte. »Jeder von ihnen hat ein Kartenspiel. Sie haben einen komplizierten Code entwickelt, in dem sie zur Verständigung an die Zellenwände klopfen – Mitgehen, Erhöhen, Passen. Offenbar hat Black Tooth Moses alles gewonnen, besonders von Courtney, und wollte einfach nicht aufhören. Da Courtney ihn nicht enttäuschen wollte, hat er weitergemacht, bis er zusammengebrochen ist. Das hat den Gefangenen einen Höllenschrecken eingejagt, am meisten Black Moses. Und den Wachen natürlich.« Er wurde etwas lauter. »Ja, sie haben den Alten gerne – und diese glasierten, noch warmen und richtig leckeren Donuts.«
Sie betraten das kleine, weiß gestrichene Zimmer mit den drei Krankenhausbetten, von denen zwei nicht belegt waren. In der Ecke stand ein einfacher Stuhl, und ein einzelnes Fenster gewährte Aussicht auf einen Hof. Sie folgten Rafferty zum Bett.
Sie hatten Fotos von Courtney James aus der Zeit von seiner Verhaftung im Jahr 1977 bis zum Schuldspruch durch die Jury 1979 gesehen. Nun waren fast dreißig Jahre vergangen. Keines der Bilder ähnelte dem alten Mann, den sie vor sich hatten.
»Courtney?«
Lebhafte blaue Augen blickten erst den Direktor an und nahmen dann Sherlock und Savich wahr. Er grinste. »Was ist denn hier los? Bringen Sie mir eine hübsche Frau? Ja, schauen Sie sich nur diese blauen Augen an, fast wie meine. Hm, ich könnte ihr Opa sein, oder?«
»Das glaube ich nicht, Courtney.«
»Bin ich dann auf dem Weg nach draußen, Herr Direktor?«
»Nein, Sie gehören doch schon zum Inventar. Und die junge Frau ist nicht nur hübsch, sondern sie ist auch vom FBI. Ihr Name ist Sherlock. Und das ist Agent Savich. Sie wollen mit Ihnen reden. Sind
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