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Hasstament

Hasstament

Titel: Hasstament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serdar Somuncu
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Wisch, vor einigen Wochen und da hab’ ich mich gefragt, was das wohl sein mag. Ich war mir keiner Schuld bewusst, man geht ja nicht durch das Leben und fragt sich ständig, was hab’ ich gemacht, was andere ärgern könnte?
    Gerade just vor ein paar Tagen bekomm’ ich dann einen Brief: ›Anhörung wegen einer Ordnungswidrigkeit‹, so nennt man das in diesem Land. Eigentlich muss es heißen: ›Befehl! Befehl zur Sühne!‹
    Ja, nein, ›Anhörung zu einer Ordnungswidrigkeit‹, da hat sich doch tatsächlich einer meiner verfickten Nachbarn die Mühe gemacht, zu überprüfen, ob an meinem Auto auch die Umweltplakette ist. Ja, der hat wirklich wahrscheinlich jedes Auto einzeln durchgeguckt in seiner Nachbarschaft und dann sofort der Polizei oder der Gestapo, wie er es wahrscheinlich noch nennt, Bericht erstattet, dass ich keine Umweltplakette habe. Oh, welch bösartiges Vergehen! Andere Leute, die bringen Kinder um, da macht sich mein Nachbar nicht die Mühe, der Polizei Nachricht zu geben, wahrscheinlich, weil er selber die Kinder umbringt.
    Die Umweltplakette müsste man ihm in sein kleines Arschloch schieben!
    Meine Güte, denk’ ich, was haben die Leute den ganzen Tag zu tun?
    Nichts Besseres als die Autos zu überprüfen, in ihrer Umgebung nach Umweltplaketten? Aber gerade diese Leute, die aufmerksam sind dann, wenn man ihre Aufmerksamkeit nicht benötigt, ja, sind die ersten, auf die man verzichten muss, wenn man wirklich mal Aufmerksamkeit benötigt. Das sind keine Leute, die von Zivilcourage zehren oder sich Gedanken machen über den anderen, weil sie für ihn etwas empfinden, nein, es sind kleine Pflichterfüller, ja, Nazipack!
    Mit solchen Leuten kann man Diktaturen organisieren! Und dann fragt man sich, wer ist es eigentlich Schuld? Das frag’ ich mich jeden Tag, dass Unrecht geschieht. Sind nicht immer nur die, die oben am Ruder sitzen, es sind die Kleinen, die Kleinen, die das Rädchen zum Drehen bringen und es am Drehen erhalten. Wo sind den bitte schön die ganzen ehemaligen Grenzsoldaten der DDR? Untergetaucht, niemand kümmert sich mehr um sie. Aber damals, da hab’ ich mich an ihre jovialen Fressen, da konnt’ ich mich daran nicht sattsehen, ja, so ekelerregend war’s. Heute sind’s ganz normale Spießbürger. Leben in meiner Nachbarschaft, laufen rum und machen sich Gedanken darüber, ob ich die Umweltplakette habe, weil sie mit ihrem denunziantorischen Potential nicht mehr wissen wohin!
    Umweltplakette! Was ist das auch für’n Scheiß?
    Umweltplakette!
    Manchen Pennern sollte man ’ne Umweltplakette auf ihr Revers heften, weil ’se nach Pisse und Scheiße stinken, ja!
    Anderen Leuten sollte man ’ne Umweltplakette ins Gesicht heften, weil sie Mundgeruch haben und stinken, wie ’ne Kuh aus dem Arschloch!
    Aber ich, ich brauch’ doch keine Umweltplakette und schon gar niemanden, der mich drauf hinweist, und überhaupt niemanden, der zur Polizei geht, um zu melden, dass ich keine habe.
    Jetzt hab’ ich mich so in Rage geschrien, dass ich gleich ’ne Heiserkeitsplakette brauche.
    Ja, das war’s. Ich hol’ mir jetzt diesen Nachbarn.
    Und dann mach’ ich aus ihm ’ne Umweltplakette und bringe ihn zur Altkleidersammlung.
    Wichser!
    Hehehehe, Anhörung wegen einer Ordnungswidrigkeit! Das sag’ ich zu meiner, wenn ’se statt an meinem Schwanz geblasen zu haben mir ins Ohr pustet.«

    SHN, Kapitel 63: Fetti
    Serdar im Auto: »Ich hab’ jetzt festgestellt, ich werde immer fetter und unansehnlicher mit zunehmendem Alter. Ich kann auch nichts dafür, ich ess’ nicht besonders viel. Morgens mal ’n Kleinkind und abends ’n Schaf. Aber trotzdem, man nimmt ja zu, durch das Nichtstun, ja, man nimmt zu, weil man einfach nichts mehr tut und der Körper das Gefühl hat, er muss nicht mehr auf die Jagd, deswegen sammelt er so viel Polster, wie er kann.
    Ja, und davon, dass man sich andauernd einen blasen lässt, wird man auch nicht schlanker. Man kriegt ja nur ’n bisschen Flüssigkeit abgepumpt. Das holt man sich dann schnell wieder, nachdem man einen geblasen bekommen hat, weil man dann noch ’ne Flasche Schnaps auf ex trinkt, um das Gesicht der Alten zu vergessen.
    Man wird fetter und fetter und fetter und hat ein immer schlechteres Gewissen.
    Dass ich fett bin, ist mir egal, ich muss sowieso nicht mehr attraktiv sein, ich zahl’ ja. Aber das schlechte Gewissen ärgert mich, ich will kein schlechtes Gewissen haben. Ich will einfach in Ruhe fett sein und nicht denken, ich muss jetzt

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