Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hasstament

Hasstament

Titel: Hasstament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serdar Somuncu
Vom Netzwerk:
das Leid des Einzelnen nur dann realisieren, wenn er uns nah oder bekannt genug ist?
    Jedes Jahr, jeden Tag, jede Minute gäbe es genug Anlass zu trauern, schließlich sterben jeden Tag genug Menschen.
    Fliege oder Hase?
    Sterben wir wie die Fliegen oder vermehren wir uns wie die Karnickel? Das ist die Frage, sagt am Wort zum Sonntag der Hassias.«
    Serdar aus dem Off: »Düdedüdüdüdüdü! Sie hörten das Wort zum Sonntag, gesprochen vom Hassias.«

    SHN, Kapitel 65: Kacke
    Serdar im Auto: »Kacken ist ja ein wichtiger Prozess im Leben, das merkt man ja schon als Kind, ja, dass es wichtig ist, welche Konsistenz man in die Windel scheißt. Als Erwachsener verliert man dann seinen Bezug dazu, weil die Toiletten, auf die man geht, immer hightecher werden, ja. Früher hat man einfach seine Wurst in ’ne Windel gepresst und sich danach wohl gefühlt, egal, wie viel Kacke noch am Arschloch hing.
    Heute setzt man sich auf ein wohlgeformtes Toilettendeckelchen und presst eine Wurst nach der anderen fein portioniert hinein und hört’s am Plumpsen, ob es ’ne dicke oder ’ne dünne Wurst war, ja. Es gibt auch keine Flachschüsseln mehr, damit man sehen kann, was man zustande gebracht hat. Es gibt auch keine Flachschüsseln mehr, die den kreativen Geist des Kackenden belohnen, indem sie ihm noch mal vorführen, welches Arrangement er zustande geschissen hat.
    Nein, es gibt nur so Tiefspüler, wo es plutsch macht, ja. Und wenn man in der Öffentlichkeit scheißt und der vorher vergessen hat abzuziehen, es plutsch macht, so dass man weiß, man hat die Pisse des Vorgängers an der Kimme hängen. Wie unhygienisch doch so was ist. Ich geh’ sowieso nicht in solche Toiletten, ja, ich scheiß’ mir lieber in die Windel, statt in ’ne öffentliche Toilette zu gehen. Ich kann’s auch nicht leiden, wenn unten und oben noch so ’n Spalt frei ist, weil ich paranoid bin und Verfolgungsangst habe. Ich geh’ nur in Mutterbauch-Toiletten, die abgeschlossen und abgeriegelt sind, so dass ich in meinem eigenen Gestank aufgehe, wie der Jude vor der Vergasung.
    Ja, ’tschuldigung, das war ja nur ’n Beispiel. Das war ja nicht ernst gemeint. Ich will doch sehen, was ich geschissen habe, ich will doch sehen, was ich verursacht habe, ja, welchen Ballast ich in die Welt gedrückt habe. Manchmal sind’s harte Konsistenzen, mühsam herausgedrückt, in einem zähen Ringen herausgepresst, eine ganz fette Kackwurst, so fett wie ein Negerschwanz, nur rückwärtig aus dem Arschloch gefallen.
    Anders wär’s ja nicht schön. Und darauf folgt dann noch ’ne etwas fluffigere Schicht, in der man Maiskörner und irgendwelche Hartweizenschalen sieht. Und ganz oben, noch on the top, wie die Krone auf dem Bier ein kleines Zipfelchen, manchmal noch dazwischen eine Lage Durchfall und ein Gestank, ja, ein Parfum muss man sagen, ein Gestank, der einen an seine Herkunft erinnert, an den Urwald, an die Höhle! Es ist was Archaisches zu scheißen, das kann ich mir von irgendwelchen Toilettenschüsselherstellern doch nicht vermasseln lassen!
    Scheißen ist was Elementares. Sich nach dem Scheißen gut zu fühlen auch. Am schönsten ist, wenn man diese ganz glatt geschliffene, wohl proportionierte Kacke hat, nach der man das Toilettenpapier noch nicht mal mehr mit Streifen verschmutzen kann, ja, weil’s glatt rausgegangen ist wie aus so ’ner Hackfleischmaschine, so schwubbeldibup, mit genug Ölanteil, wie in Nutella, ja, und dann macht’s klack und dann ist das Ding draußen! Manche Leute putzen sich den Arsch ja sowieso nicht und stinken dann aus dem Arsch, wie sie vorher aus dem Mund gestunken haben, weil ’se sich wahrscheinlich ständig in den Mund scheißen lassen. Manche Leute haben ja einen sehr persönlichen Bezug zu Scheiße.
    Ja gut, ich hab’s auch, aber nur wenn’s im Klo liegt und schon gar nicht zu Scheiße von anderen Leuten, sondern nur von meiner eigenen Scheiße möchte ich etwas haben, wenigstens den Geruch.
    Komischerweise aber erträgt man den Geruch dann, wenn man kurz mal rausgegangen ist, selbst wenn es der eigene Scheißgeruch ist und hineinkommt ins Klo nicht mehr, das ist ein Mysterium der Menschheit.
    Warum erträgt man seinen eigenen Scheißgeruch nicht mehr, wenn es vorbei ist? Warum?
    Ja, und all diese philosophischen Gedanken vermasseln einem die Tiefspül-Toilettenschüsselhersteller.
    Ja, oh, ich glaub’, ich muss kacken, hahahaha, oh.«

    SHN, Kapitel 66: Puff
    Serdar fährt im Auto durch ein leerstehendes Parkhaus

Weitere Kostenlose Bücher