Hast du mich nie geliebt
klar, was Nikos mit seinen Worten gemeint hatte. Sie spürte, dass er Recht gehabt hatte. Beide gaben sich die Schuld an dem, was geschehen war, und wollten jetzt alles wieder ins rechte Lot bringen. Leider hatte niemand daran gedacht, vorher mit ihr über die Sache zu sprechen. Für ihren Vater und seine Frau war der Fall klar: Sie wollten, dass sie und Nikos heirateten.
"Mein Liebling, ich …"
"Janine, wir …"
Dann öffnete sich erneut die Tür, und Nikos trat heraus. Ohne ein weiteres Wort ging er zu ihr und stellte sich neben sie. Janine wäre am liebsten geflüchtet, aber sie fühlte sich wie gelähmt.
Stephanos stellte eine Frage auf Griechisch, die Nikos beantwortete.
Die beiden Männer sahen sie fragend an.
Janine spürte noch, dass etwas geschah, dem sie sich nicht entziehen konnte. Etwas, das stärker war als sie. Konnte man es Schicksal nennen?
Dem Schicksal, so sagte man doch, könne man nicht entfliehen.
"Janine?"
Offensichtlich erwartete man eine Antwort von ihr.
Sie beugte den Kopf. Um sie herum war alles dunkel.
"Ja", sagte sie dumpf. Zu mehr konnte sie sich nicht überwinden.
Aber es reichte schon. Alle schienen sehr erleichtert, Stephanos lächelte breit. Demetria machte einen Schritt nach vorn. Sie umarmte Janine und zog sie an sich. Ihre Augen strahlten. Dann wandte sie sich ihrem Bruder zu und küsste ihn auf die Stirn. Noch immer fühlte Janine nichts, aber sie merkte, dass Nikos ihre Hand ergriff und sie drückte. Willenlos ließ sie es geschehen. Sie hatte den Eindruck, als wäre sie im Mittelalter gelandet, in einer Zeit, wo Ehre noch ein Begriff war, der zählte. Es wunderte sie, dass sie nicht die Kraft gehabt hatte, sich dem Ganzen zu widersetzen. Aber selbst das war ihr jetzt egal. Die Würfel waren gefallen, und nun gab es kein Zurück mehr.
"Champagner! Darauf sollten wir anstoßen", meinte Demetria mit leuchtenden Augen und verließ das Zimmer.
Sie kehrte wenig später mit einem Tablett zurück, auf dem eine Flasche und vier Gläser standen. Stephanos führte sie alle in sein Arbeitszimmer, wo sie miteinander anstießen.
Erst als der Champagner durch ihre Kehle floss, erwachte Janine wieder zum Leben. Plötzlich musste sie daran denken, bei welcher Gelegenheit sie zuletzt Champagner getrunken hatte. Es war in der Villa gewesen, mit Nikos. Doch das schien lange her zu sein, fast wie in einem anderen Leben.
Ihre Gegenwart hingegen war ein einziger Albtraum.
Die ganze Zeit über, während die anderen sich angeregt unterhielten, hatte Janine den Eindruck, neben sich zu stehen. Sie trank zwar und nahm ein wenig an der Unterhaltung teil, aber in Wirklichkeit war sie ganz woanders. Es kamen ein paar Besucher, und Demetria stellte sie ihnen freudestrahlend als die Verlobte ihres Bruders vor.
Janine entging nicht, wie neidisch die Damen der griechischen Gesellschaft auf sie waren. Sie erkundigten sich, unter welchen Umständen Nikos und sie sich kennen gelernt hatten. Am liebsten hätte sie ihnen die Wahrheit gesagt, aber sie fühlte sich immer noch wie betäubt. Es war, als wäre sie eine andere, als würde das Ganze gar nicht ihr passieren.
Als die Gäste gegangen waren, nahm Demetria Janine kurz zur Seite.
"Eine der beiden hatte eine Affäre mit Nikos", sagte sie verschwörerisch. "Bestimmt hätte sie ihn selbst gern geheiratet. Mein Bruder hat nicht den besten Ruf, musst du wissen."
"Ja, das kann ich mir gut vorstellen", erwiderte Janine nun trocken.
Demetria sah sie schuldbewusst an. "Deshalb habe ich ihn auch gebeten, mir zu helfen", bekannte sie. "Mir war klar, dass ihm so schnell keine Frau widerstehen kann." Sie zuckte zusammen. "Oh, verzeih, damit wollte ich nicht sagen, dass …"
"Schon gut", meinte Janine. Noch immer hatte sie den Eindruck, als würde sie das Ganze gar nichts angehen. Sie sehnte sich nur nach Ruhe, danach, auf ihrem Zimmer und endlich allein zu sein.
Doch plötzlich wurde ihr Leben sehr hektisch. Nachdem die Verlobung offiziell verkündet worden war, ging Demetria jeden Tag mit ihr shoppen. Als ob sie für ihr Vergehen büßen wollte, schien sie dabei weder Mühe noch Kosten zu scheuen. Janine versuchte, ihren Eifer zu bremsen, aber es gelang ihr nicht. Außerdem wollte Demetria nichts davon hören, als Janine verkündete, dass sie keine religiöse Zeremonie wollte.
"Nein, das geht nicht", erwiderte sie entschieden. "Es mag dir nicht einleuchten, aber du bist nun einmal die Tochter von Stephanos. Und griechisch zu sein bedeutet immer
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