Hastings House
sie.
So wie Brad machte auch Melissa den Eindruck, als hoffe sie auf eine Einladung. Unter anderen Umständen hätte Leslie ihr angeboten, auf einen Drink mitzukommen, aber nicht heute Abend. Heute wollte sie endlich mit gleichgesinnten Freunden darüber sprechen, was ihr wirklich auf dem Herzen lag. “Ich bringe morgen früh die Doughnuts mit”, wandte sie sich an Melissa, die sie hoffnungsvoll anschaute.
“Okay … gut. Ich werde früh da sein, so wie immer. Sehe ich Sie beide dann wieder?”, fragte sie Adam und Nikki, hatte aber Mühe, ihre Enttäuschung zu überspielen, dass sie nicht eingeladen wurde.
“Ich muss erst gegen zehn oder elf am Flughafen sein”, sagte Adam freundlich. “Wir sehen uns sicher morgen früh. Gute Nacht.”
Dann, endlich, war Melissa gegangen, die Alarmanlage eingeschaltet, und Leslie drehte sich mit strahlender Miene zu den beiden um. “Ich bin ja so froh, euch zu sehen”, rief sie, während sie auf die beiden zu ging.
“War es ein Fehler, hierher zurückzukommen?”, fragte Nikki vorsichtig.
“Nein … nein, das würde ich nicht sagen, aber …”
“Ist Matt hier?”, wollte Adam wissen.
“Ja. Und nein.”
“Warum gehen wir nicht irgendwo essen, und du erzählst uns alles?”, schlug Nikki vor.
“Um die Ecke ist ein gemütlicher Pub, O’Malley’s. Den gab’s schon, bevor ich das erste Mal nach New York kam”, sagte Adam.
“Klingt gut. Es gibt wirklich eine Menge zu erzählen”, erwiderte Leslie.
“Wir haben die ganze Nacht Zeit”, meinte Nikki.
Leslie zuckte mit den Schultern. “Ich weiß ja nicht mal, wo ich anfangen soll.”
“Am besten ganz von vorn”, gab Adam zurück. “Fang damit an, als du hergekommen bist.”
Auf dem Weg zurück zu seinem Wagen bemerkte Joe beunruhigt, dass keine Nachrichten auf seiner Mailbox warteten. Er hatte geglaubt, dass Leslies Rückruf ihm nur entgangen sei, weil er in der Gruft keinen Empfang hatte, aber offenbar hatte sie sich noch gar nicht bei ihm gemeldet.
Seine Verbindung zu ihr sorgte dafür, dass man ihn das Ausgrabungsgelände ungehindert betreten ließ. Deshalb war er auf den Gedanken gekommen, sich die Arbeiten in der Gruft anzusehen und sich selbst davon zu überzeugen, dass weitere “Unfälle” ausgeschlossen waren. Er fragte sich, wie Laymon wohl reagieren würde, wenn er wüsste, dass die Helfer den Fund – und damit das ganze Projekt – Leslie und nicht ihm zuschrieben. Laymon würde es auch nicht gefallen, dass Joe sich hier auf eigene Faust umsah.
Die Gruft lieferte keinerlei Hinweis, allerdings konnte er ohnehin nicht mehr tun als dazustehen und sich umzusehen. Nach einer Weile fiel ihm auf, dass er wieder einmal ein Gespräch mit seinem toten Cousin begonnen hatte. “Was ist hier los, Matt? Wonach suche ich?”
Verdammt, Joe, meinst du nicht, ich würde mehr tun, wenn ich das wüsste? Für mich ist das Ganze auch ein Rätsel. Es hat etwas mit den Dingen zu tun, die sich im Untergrund abspielen, so viel kann ich dir sagen. Ich meine, das Zimmer, in dem ich gestorben bin, befindet sich genau über dem Kellerraum, in dem die Knochen liegen … Pass auf sie auf, Joe.
War das sein eigenes Wunschdenken, das ihm da geantwortet hatte?
Ja, Matt, gib mir nur deinen Segen. Sie war die Liebe deines Lebens, und sie liebt dich immer noch, aber ich muss zumindest in ihrer Nähe sein. Und ich hoffe bei Gott, dass ich ihr damit helfe.
Nach einer Weile kam er zu dem Schluss, dass er zu viel Zeit in einem Erdloch verbracht und sich zu lange mit seinem toten Cousin unterhalten hatte. Also brach er auf und kehrte zu seinem Wagen zurück. Dort angekommen, sah er auf die Uhr, überlegte, was um diese Zeit auf den Straßen los sein musste, fluchte und entschied sich, die U-Bahn zu nehmen.
Als er auf dem Bahnsteig auf seine Linie wartete, kam er erneut ins Grübeln. Keiner der Männer, die er inzwischen als Verdächtige anzusehen begann, konnte ein wasserdichtes Alibi vorlegen, wann er sich wo aufgehalten hatte. Andererseits konnte er sich auch nicht vorstellen, dass einer von ihnen dieser äußerst raffinierte Mörder sein könnte. Es änderte aber nichts daran, dass er von einem Zusammenhang zwischen den verschwundenen Prostituierten, der vermissten Genevieve O’Brien und der Explosion im Hastings House überzeugt war. Wieder und wieder ging er in Gedanken durch, was er wusste, während er in die soeben einfahrende Bahn einstieg. Da waren die Cops Ken Dryer und Robert Adair. Er kannte Robert seit einer
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