Hastings House
eine unglaubliche Überraschung. Zunächst stutzte sie, weil sie nicht wusste, wer der große grauhaarige Mann und die schlanke blonde Frau waren, doch dann erkannte sie sie wieder. “Adam! Nikki!”, rief sie erfreut.
Nikki drehte sich um, auf ihrem fein geschnittenen Gesicht zeichnete sich sofort ein Lächeln ab. Adam hatte wie üblich seine ruhige, väterliche Miene aufgesetzt.
Leslie wusste nicht, wen von beiden sie zuerst umarmen sollte. “Ich kann es gar nicht glauben, dass ihr hier seid. Was führt euch her?”, wollte sie wissen und fiel ihnen abwechselnd um den Hals.
“Ich darf annehmen, dass Sie drei tatsächlich alte Freunde sind”, meinte Professor Laymon ironisch. “Ich habe den beiden vom Fund im Keller erzählt.” Dann sah er absichtlich auf die Uhr. “Sie arbeiten doch heute wieder, oder?”
“Natürlich”, versicherte sie ihm. “Ihr beide seid doch nicht nur für ein paar Minuten hier, oder?”, wandte sie sich an Adam und Nikki. “Und wo ist eigentlich Brent?”
“Er konnte leider nicht kommen, weil er gerade in Los Angeles ist. Adam erzählte mir von seinem Plan, dich in New York zu treffen, also habe ich mir überlegt, ihn zu begleiten”, antwortete Nikki. “Ich treffe mich morgen mit Brent, doch den Abend habe ich zur Verfügung.”
“Ich muss am Morgen nach London weiterreisen, aber heute Abend bin ich auch frei”, erklärte Adam.
“Großartig.”
“Du hast nicht angerufen, also kann ich davon ausgehen, dass alles gut läuft”, sagte Nikki.
“Gut? Es läuft bestens”, meldete sich Laymon zu Wort. “Sie hat eine Gruft entdeckt, auf die wir wohl erst nach einer Ewigkeit gestoßen wären. Ich brenne ganz ungeduldig darauf, sie zu erkunden, wenn ich ehrlich sein darf. Ein Teil der Decke kam fast sofort runter, aber die Arbeiter haben jetzt alles abgestützt. Und kaum ist Leslie da fort, stößt sie hier auf noch mehr Menschenknochen.”
“Jede einzelne Entdeckung ist wichtig”, betonte Nikki.
“In diesem Fall versuche ich alles, damit die Frau eine ordentliche episkopale Bestattung erhält”, erklärte Leslie.
“Hast du in der Richtung schon etwas unternommen?”, fragte Adam.
“Nein, aber ich gehe davon aus, dass es keine Probleme geben wird.”
“Ich habe einen alten Freund in der Kirche”, überlegte Adam. “Ich könnte dir den Verwaltungsaufwand sicher etwas erleichtern. Wenn ich das richtig sehe, willst du die Tote ja nicht aus der Stadt bringen, oder?”
Leslie lächelte Adam dankbar an. Dieser Mann konnte wirklich Wunder bewirken.
“Dann könnten wir das Ganze ja etwas beschleunigen”, sagte Brad und stellte sich zu ihnen.
Nachdem alle einander vorgestellt waren, schaute Brad die beiden Neuankömmlinge nachdenklich an. “Ich habe Sie schon mal gesehen”, meinte er dann an Adam gewandt. “Sie waren letztes Jahr im Krankenhaus, als Leslie …”
“Ja, das stimmt. Schön, dass wir uns jetzt richtig kennenlernen”, unterbrach Adam ihn und schüttelte seine Hand.
“Warum macht ihr zwei heute Morgen nicht eine Führung mit, esst was zu Mittag, und am Nachmittag treffe ich euch wieder hier”, schlug Leslie ihnen vor.
“Ich liebe Führungen”, entgegnete Nikki.
“Sie macht Geisterführungen in New Orleans”, erläuterte Leslie.
“Ich dachte, sie arbeitet für Mr. Harrison”, wandte Brad ein.
“Ich recherchiere für ihn. Adam hat überall im Land Leute, die ihm bei seinen Recherchen helfen”, erklärte Nikki.
Brad betrachtete sie weiterhin argwöhnisch. Nachdenklich kam Leslie zu dem Schluss, dass er wohl glaubte, sein Territorium verteidigen zu müssen. Bis vor einer halben Stunde war er davon überzeugt gewesen, all ihre Freunde zu kennen, und nun gefiel ihm anscheinend die Erkenntnis nicht, dass er sich geirrt hatte.
Ihre Einschätzung sollte sich als zutreffend erweisen. Im Keller standen die Kisten bereit, das Werkzeug war zurechtgelegt worden, und die Arbeit nahm ihren Lauf. Die Zeit hatte den sterblichen Überresten schwer zu schaffen gemacht. Laymon hatte ihr bereits eine kleine Ansprache darüber gehalten, dass die Bergung der Knochen eigentlich auf Video hätte aufgenommen werden müssen. Aber aus Respekt vor ihren Gefühlen hatte er entschieden, das Filmen des Kellers erst nach der Entfernung der sterblichen Überreste zu gestatten. Danach hatte er sich sofort auf den Weg zu der Arbeit gemacht, die er für wirklich wichtig hielt: die Erforschung der Gruft. Leslie und Brad waren mit der heiklen Aufgabe beschäftig, das
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