Hastings House
sein. Soldaten waren hier während des Freiheitskriegs gestorben, als das Haus als behelfsmäßiges Lazarett herhielt. Ein von Wachhunden zerfleischter Sklave war hier verstorben, nur wenige Minuten, nachdem er es in das sichere Hastings House geschafft hatte. Ein Mädchen, das bei den Unruhen von 1863 schwer verletzt wurde, legte man auf eine Couch im langen Flur, wo es wenig später seinen Verletzungen erlag.
Es gab eine Menge Geschichten über dieses Haus zu erzählen, doch bislang schien keiner der Geister bereit, ihr zu vertrauen, sich ihr zu offenbaren und mit ihr zu reden.
Vor allem galt das für Matt.
Ausgenommen in ihrem leidenschaftlichen Traum.
Sie pfiff eine leise Melodie, während sie die Treppe hinaufging. Oben angekommen, fiel ihr ein, dass sie gar nicht zu Abend gegessen hatte, doch es war ihr egal. Sie war längst viel zu müde, um sich jetzt noch um etwas zu essen zu kümmern.
Zwar warnte eine Stimme in ihrem Kopf sie, sie würde es noch bereuen, da sie irgendwann mitten in der Nacht mit knurrendem Magen aufwachen könnte, aber diese Stimme ignorierte sie einfach. Sie war einfach zu erschöpft, und das nicht nur von der Arbeit.
Als hätte sie die ganze Nacht kein Auge zugetan, um den Sex mit Matt zu genießen …
Sie ging in Richtung Badezimmer. Vielleicht fühlte sie sich ja nach dem Duschen eher in der Lage, noch einmal nach unten in die Küche zu gehen.
Oder wollte sie nur deshalb so dringend ins Bett, weil sie hoffte, den Traum der vergangenen Nacht noch einmal zu erleben?
Das Wasser war angenehm heiß, und sie blieb sehr lange unter der Dusche. Als sie wieder herauskam, gab es keine Stelle an ihrem Körper, an dem noch etwas vom Staub der Ausgrabungsstätte haftete. Im Schlafzimmer zog sie ihr Nachthemd über und schaltete den Fernseher ein. Bestürzt sah sie, dass es erst halb acht war. Sie ging wirklich sehr früh ins Bett. Bedauernswert früh, um genau zu sein.
Umso besser kannst du träumen, meine Liebe
.
Kein Wunder, dass Brad meinte, sie müsse mehr unter Leute kommen. Er hatte recht, das wusste sie auch. Und wenn diese Ausgrabungen hier abgeschlossen waren, würde sie seinen Rat vielleicht befolgen.
Wenn sie dieses Haus und Matts Tod verarbeitet hatte.
Langsam ging sie zum Fenster und sah nach unten auf die Straße.
Ihr Herz schien auszusetzen.
Da war er wieder.
Matt?
Nein, das war unmöglich.
Aber da unten stand ein Mann vor dem Laternenmast.
Nein, das musste Einbildung sein. Sie glaubte nur, dass er dort stand. Ihre Augen spielten ihr einen Streich.
Doch! Doch, er stand tatsächlich da.
Diesmal würde sie ihn nicht entwischen lassen.
Wie eine Schwimmerin vom Beckenrand stieß sie sich von der Fensterbank ab und schoss regelrecht durch das Zimmer, bekam den Morgenmantel zu fassen und zog ihn an, während sie die Treppe nach unten stürmte. Durch den Spion in der Tür sah sie mit einem Auge nach draußen, gleichzeitig schaltete sie den Alarm ab und schloss auf.
Nein! Er war fort! Schon wieder!
Hastig riss sie die Tür auf und wollte in Richtung Gartentor laufen, vielleicht würde sie ihn diesmal irgendwo entdecken. Doch weit kam sie nicht, da sie gegen etwas Hartes, Unnachgiebiges prallte. Etwas aus Fleisch und Blut und Muskeln.
Ihr Blick wanderte nach oben.
Matt!
Nein, dieser Mann vor ihr existierte wirklich. Er atmete und lebte.
“Matt?”, flüsterte sie.
“Nicht ganz”, antwortete der Mann.
Matts Stimme. Er streckte die Arme aus, um sie festzuhalten, während sie zum Reden ansetzte.
Sie machte den Mund auf …
… und sank ohnmächtig in sich zusammen.
6. KAPITEL
V erdammt!
Die Frau war zwar zierlich, dennoch wurden Joes Arme von ihrem Körper jäh nach unten gerissen, als er sie auffing. Joe hob sie hoch und hoffte inständig, dass sie den Alarm ausgeschaltet hatte. Ansonsten würde es hier jeden Moment von Cops wimmeln, die mit der Waffe im Anschlag auf ihn zielten.
Zum Glück war es im Haus hell genug, um sich orientieren zu können. Kurz nach der Explosion war Joe hier gewesen, um Antworten zu finden. Antworten auf die Frage, wie das ganze Unglück hatte passieren können. Jetzt war er froh darüber, sich im Inneren des Hauses etwas auszukennen. Zielstrebig ging er in die Küche und hielt ein Handtuch unter den Wasserhahn. Ein rascher Blick in die Schränke ergab keinen Hinweis darauf, dass sich irgendetwas Alkoholisches im Haus befand. Ein Glas Wasser musste genügen.
Mit dem nassen Tuch und dem Glas kehrte er schnell zu ihr zurück. Da er
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