Hastings House
dankbar, dass sie uns eingeladen hat, Teil dieses aufregenden Projekts zu sein – und wir danken natürlich auch dem Bauunternehmen Tyson, Smith & Tyson. Da drüben ist Hank Smith.” Sie zeigte auf den Mann. “Seinem Unternehmen ist es zu verdanken, dass wir diese einmalige Gelegenheit bekommen haben. Vielen Dank für Ihr Interesse, aber jetzt müssen Sie uns entschuldigen. Wir müssen nämlich zurück an die Arbeit.”
Die Reporter wollten jedoch noch nicht gehen. Deren Pech. Sie hatte mit ihnen gesprochen und war freundlich geblieben. Sie hatte sich sogar beim Bauunternehmen eingeschmeichelt, aber jetzt reichte es. Entschlossen ging sie weiter, während Professor Laymon und Brad weitere Fragen beantworteten. Der einzige Ort, an den sie sich im Moment begeben konnte, war der Bauwagen. Während sie auf ihn zuging, hoffte sie, dass man ihn nicht abgeschlossen hatte.
Zum Glück war er offen, doch kaum war sie eingestiegen, war sie schon wieder frustriert, weil sie ihre Forschungsunterlagen nicht bei sich hatte. Dann sah sie, dass jemand die Zeitungen vom heutigen Tag im Bauwagen hatte liegen lassen. Sie nahm sich eine davon und blätterte sie durch. Es gab einen großen Artikel über die Ausgrabung, den sie nur überflog. Als sie umblätterte, fiel ihr Blick auf das Foto einer hübschen jungen Frau, deren weit geöffnete Augen der ganzen Welt zu trotzen schienen. Die Bildunterschrift besagte:
Familie sucht verzweifelt verschwundene Erbin Genevieve O’Brien
.
Der Artikel zu diesem Foto war so interessant, dass Leslie gar nicht merkte, wie die Zeit verging. Genevieve war Sozialarbeiterin gewesen und hatte erst unmittelbar vor ihrem spurlosen Verschwinden ihren Job gekündigt. Sie hatte sich bei ihrer Arbeit unermüdlich für die Unterprivilegierten eingesetzt. Zuletzt wurde sie gesehen, wie sie downtown in eine dunkle Limousine einstieg. Ihre Familie versprach eine hohe Belohnung für jeden Hinweis, der dazu führte, dass die junge Frau gefunden wurde.
Ohne nachzudenken schloss sie die Augen und ließ ihre Finger über das Foto wandern.
“Was denn?”, fragte auf einmal eine spöttische Stimme. “Versuchen Sie jetzt auch schon, mit Vermissten Kontakt aufzunehmen?”
Erschrocken schlug sie die Augen auf und sah zur Tür des Bauwagens. Hank Smith stand dort, so ordentlich und teuer gekleidet wie immer.
“Ich bin nur etwas müde”, antwortete sie leise.
Mit einem Schulterzucken ging er zum Kühlschrank und nahm eine Flasche Wasser heraus. “Man kann ja nie wissen. Unser guter Freund Sergeant Adair könnte Sie schon bald um Hilfe bitten. Meiner Meinung nach hatte die Kleine nur genug von ihrer hochnäsigen Familie und ihrer versifften Klientel, deshalb hat sie das Weite gesucht.”
Sie konnte ihn nicht allzu freundlich angesehen haben, weil er in aller Eile hinzufügte: “Sorry, ich weiß, das klingt kaltherzig, aber ich habe selbst ein paar Drogensüchtige miterlebt, und ich weiß, man kann keinem Junkie helfen, der sich nicht helfen lassen will. Das ist vertane Zeit und rausgeschmissenes Geld, und ich hasse es, Geld zum Fenster rauszuschmeißen.”
“Das Gefühl kenne ich”, entgegnete sie höflich, fragte sich jedoch, ob ihn der Baustopp tatsächlich so wenig berührte, wie er am Tag zuvor behauptet hatte. “Ist der Medienzirkus vorüber?”
“Sie graben alle wieder, und ich glaube, die Presseleute haben sich aus dem Staub gemacht, damit sie nicht vor Langeweile tot umfallen.” Hank grinste sie an. “Sorry, ich weiß, Sie sind für diese Sachen Feuer und Flamme, aber für jeden, der nicht die gleiche Geduld aufbringen kann, ist das Ganze verdammt langatmig.” Mit seinem entwaffnenden Lächeln wollte er seinen Worten die beißende Schärfe nehmen.
Leslie stand auf und legte die Zeitung zur Seite. “Glauben Sie mir, Hank, Sie sind nicht der Erste, der das sagt.” Sie grinste ihn nun ihrerseits an. “Und nochmals danke, dass wir den Bauwagen benutzen dürfen.”
“Kein Problem. Und wie gesagt: Wenn Sie mal zum Mittagessen entkommen wollen, lassen Sie es mich wissen.”
“Das werde ich machen. Danke.”
Sie verließ den Bauwagen und freute sich darauf, endlich mit ihrer Arbeit anfangen zu können.
Nach einigen Stunden musste sie einsehen, dass Hank nicht der Einzige war, der die Arbeit an diesem Tag als todlangweilig empfunden hätte. Nach der Entdeckung des ersten Grabs wollte Laymon kein Risiko eingehen, also wurde nicht mit Schaufeln gearbeitet, sondern mit Bürsten und Pinseln – von
Weitere Kostenlose Bücher