Hasturs Erbe - 15
es niemand ein zweites Mal.
Danilo, der zugehört hatte, sagte: „Hat dir niemand gesagt, am Abend vorher deine Sachen herunterzubringen? Das ist der Grund, warum mich Lord Alton so früh hierhergeschickt hat.” „Nein, niemand hat es mir gesagt.” Wenn er doch nur Lew gefragt hätte, was er in den Baracken benötigen würde, als sie noch als Freunde miteinander reden konnten. Danilo sagte schüchtern: „Das sind doch deine besten Sachen, nicht wahr? Ich könnte dir ein normales Hemd leihen. Wir haben ungefähr die gleiche Größe.”
„Danke, Dani. Das wäre sehr nett von dir. Dieser Anzug ist nicht sehr passend, stimmt’s?” Danilo kniete vor seiner Holzkiste, brachte ein sauberes, aber sehr schäbiges Hemd zum Vorschein, das an den Ellenbogen mehrfach geflickt war. Regis zog die gefärbte Wildledertunika aus, ebenso das feine Rüschenhemd darunter und glitt in das geflickte. Danilo entschuldigte sich. „Mir ist es auch etwas zu groß. Es gehörte vorher Lew - Kapitän Alton, meine ich. Lord Kennard hat mir einige seiner abgelegten Sachen gegeben, damit ich eine anständige Ausstattung für die Kadettenzeit habe. Er hat mir auch ein gutes Pferd gegeben. Er ist sehr freundlich zu mir.”
Regis lachte. „Ich habe auch immer Lews abgelegte Sachen getragen, als ich dort lebte. Ich bin immer aus meinen herausgewachsen, und da die Feuerwache alle paar Tage zusammengerufen wurde, hatte niemand Zeit, mir neue zu machen oder in die Stadt danach zu schicken.” Er schloß die Bänder am Hals. Danilo sagte:
„Es fällt schwer, sich vorzustellen, daß du abgelegte Sachen trägst.”
„Ich hatte nichts dagegen, Lews Sachen zu tragen. Aber ich habe es gehaßt, die abgelegten Nachthemden meiner Schwester zu tragen. Ihre Gouvernante hat ihr das Nähen beigebracht, indem sie sie ihre eigenen Hemden auf meine Größe zurechtschneiden ließ. Und immer, wenn sie wütend darüber war, hat sie mich mit den Nadeln gestochen und gezwickt, wenn ich sie anprobierte. Sie hat das Nähen nie gemocht.” Er dachte an seine Schwester, wie er sie zuletzt gesehen hatte, schwerfällig und hochschwanger. Arme Javanne. Auch sie war gefangen, mit keiner anderen Aufgabe, als dem Hause Hastur Kinder zu gebären.
„Regis, stimmt irgend etwas nicht?”
Regis war erstaunt über Danilos besorgten Gesichtsausdruck. „Nein. Ich habe nur an meine Schwester gedacht - ob ihr Kind wohl schon auf der Welt ist.”
Danilo sagte leise: „Ich denke, sie hätten dir eine Nachricht geschickt, wenn irgend etwas schlecht verlaufen wäre. Es gibt ein altes Sprichwort, das lautet: Gute Nachrichten schleppen sich mühsam voran, aber schlechte Nachrichten haben Flügel.”
Damon MacAnndra kam auf sie zu. „Seid ihr schon von dem Waffenmeister überprüft worden?”
„Nein”, sagte Dani. „Gestern haben sie es nicht bis zu mir geschafft. Was geschieht denn da?” Damon zuckte die Achseln. „Der Waffenmeister gibt dir das übliche Schwert der Wache und läßt dich die Grundpositionen der Verteidigung demonstrieren. Wenn man nicht weiß, an welchem Ende man es anfassen muß, steckt er einen in die Anfängerklasse, und man muß ungefähr drei Stunden am Tag üben. Natürlich in der Freizeit. Wenn du die Grundregeln kennst, wird entweder er oder einer seiner Assistenten dich testen. Als ich gestern abend oben war, war auch Lord Dyan dort. Ich sage euch, ich habe Blut geschwitzt! Ich habe mich verdammt dumm angestellt, bin ausgerutscht, und er hat mir für jeden zweiten Tag Übungsstunden aufgebrummt. Wem kann schon irgend etwas gelingen, wenn der einen anstarrt.”
„Ja”, sagte Julian vom nächsten Bett herüber, wo er versuchte, einen Rostfleck von seinem Messer abzuwischen. „Mein Bruder hat mir erzählt, daß er gern dabeisitzt, wenn die Kadetten trainieren. Er scheint es zu genießen, wenn sie heruntergeputzt werden und dummes Zeug anstellen. Er ist ziemlich gemein.”
„Ich habe in Nevarsin Schwertkampf gelernt”, sagte Danilo. „Um den Waffenmeister mache ich mir keine Sorgen.”
„Dann mach dir um Lord Dyan Sorgen. Du bist gerade jung genug, und hübsch bist du auch…”
„Halt den Mund”, sagte Danilo. „Du solltest nicht so über einen Comyn-Lord reden.” Damon kicherte. „Das habe ich vergessen. Du bist ja der Schützling von Lord Alton, stimmt’s? Komisch, ich habe nie gehört, daß der eine Vorliebe für hübsche Jungen hätte.” Danilo fauchte mit brennenden Wangen: „Halt dein dreckiges Maul. Du bist doch nicht würdig, Lord
Weitere Kostenlose Bücher