Hasturs Erbe - 15
getan? Tu, was du willst. Ich habe aus Vergnügen geheiratet. Ich habe Hastur gesagt, ich würde dich niemals zwingen.” „Glaubst du, du könntest das?” Ich kochte vor Zorn.
„Da ich es nicht versuchen würde - was spielt es für eine Rolle?” Mein Vater klang so überdrüssig, wie ich mich fühlte. „Ich halte dich für einen Dummkopf, aber wenn du dich unabhängig und tugendhaft fühlst, wenn du so herumläufst mit einem wunden …” - zu meiner Überraschung und als Schock gebrauchte er einen so vulgären Ausdruck aus der Wachkaserne, von dem ich nicht einmal erwartet hätte, daß er ihn kannte- „… dann sei doch so verdammt hartnäckig und widerspenstig, wie du nur willst. Du bist zwar mein Sohn, aber du hast nicht mehr Verstand als ich in deinem Alter hatte!” Er zuckte die Schultern in einer Art und Weise, die andeutete, er sei mit diesem Thema fertig. „Schwellenkrankheit? Ich habe irgendwo Kirian, wenn du es brauchst.”
Ich schüttelte den Kopf und merkte, daß irgend etwas, vielleicht meine überströmende Wut, das meiste davon vertrieben hatte.
„Ich wollte dir noch etwas sagen, aber es kann bis morgen warten, wenn dir nun nicht nach Zuhören ist. Ich für meinen Teil möchte noch etwas zu trinken.” Schwerfällig kam er auf die Füße. Ich sagte: „Laß mich ihn dir holen, Vater.” Ich brachte ihm ein Glas Wein, nahm auch eines für mich und setzte mich neben ihn. Er nahm kleine Schlucke. Nach einer Weile streckte er die Hand aus und legte sie mir auf die Schulter, eine der seltenen Gesten der Intimität aus der Kindheit. Jetzt machte es mich nicht mehr wütend.
Schließlich sagte er: „Du warst im Rat dabei. Du weißt, was vorgeht.”
„Du meinst Aldaran.” Ich war froh, daß er das Thema wechselte.
„Das schlimmste ist, daß man mich in Thendara nicht entbehren kann, und darüber hinaus glaube ich, daß ich die Reise nicht unternehmen kann, Lew.” Seine Barrieren waren verschwunden, und ich spürte seine Erschöpfung. „Ich habe noch niemals zuvor zugegeben, daß ich irgend etwas nicht tun könne. Aber jetzt…” -und er schenkte mir sein rasches, seltenes Lächeln - „… habe ich einen Sohn, dem ich vertrauen kann, um meinen Platz einzunehmen. Und da wir beide Hastur Widerstand entgegengesetzt haben, wird Thendara in den nächsten Wochen für dich kein angenehmer Ort sein. Ich werde dich als meinen Stellvertreter nach Aldaran schicken, Lew.”
„Mich, Vater?”
„Wen sonst? Es gibt sonst niemanden, dem ich so vertraue. Du hast die Sache mit den Feuerwarntürmen ebenso gut erledigt, wie ich es getan hätte. Und dort kannst du dich auf Blutsverwandschaft berufen. Der alte Kenniac von Aldaran ist dein Großonkel.” Ich wußte, daß ich mit den Aldaranen verwandt war, doch nicht, wie nahe diese Verwandtschaft im Clan stand. „Außerdem hast du terranisches Blut. Du kannst also hingehen und unabhängig von allen Gerüchten herausfinden, was wirklich da oben in den Bergen geschieht.” Ich fühlte mich zugleich geehrt und unsicher, auf diese hochkomplizierte Mission geschickt zu werden, weil ich wußte, Vater vertraute mir. Hastur hatte von der Pflicht gesprochen, den Comyn zu dienen, unserer Welt. Nun war ich bereit, meinen Platz unter denjenigen Domänen einzunehmen, die dies seit mehr Generationen so gehalten hatten, als ein jeder einzelne von uns zählen konnte. „Wann soll ich abreisen?”
„Sobald ich eine Eskorte und Geleitschutz für dich auf die Beine gestellt habe. Wir dürfen keine Zeit verlieren”, sagte er. „Sie wissen, daß du ein Erbe der Comyn bist. Aber du bist auch mit Aldaran verwandt. Sie werden dich auf eine Art willkommen heißen, wie sie es bei mir niemals getan hätten.”
Ich war meinem Vater dankbar, weil er mich auf diese Mission sandte, und das war ein neues Gefühl, ein gutes Gefühl. Ich merkte, daß die Dankbarkeit nicht einzig auf meiner Seite lag. Er brauchte mich dringend. Ich hatte eine Gelegenheit, ihm zu dienen, etwas besser für ihn zu erledigen, als er selber dazu in der Lage war. Ich wollte so rasch wie möglich damit beginnen.
9
In dieser Jahreszeit war die Sonne bereits aufgegangen, wenn die Weckglocke in der Kaserne ertönte. Im Hof schmolzen kleine Schneehaufen zu Rinnsalen, als die Kadetten über die Pflastersteine zur Messe gingen. Regis war immer noch schläfrig trotz des eisigen Wassers, das er sich ins Gesicht gespritzt hatte. Er meinte, er würde lieber auf sein Frühstück verzichten, als zu dieser Tageszeit dafür
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