Hasturs Erbe - 15
sich, wie sich Danilo in der Nacht vor seinem Hinauswurf spöttisch gegen ihn gewandt hatte. Dani war ein Cristoforo, und für ihn war es mehr als eine Beleidigung.
Er wußte, daß Dyan für solches Gerede mehr als nur Verachtung übrig hatte. Er machte aus seinen Vorlieben niemals ein Geheimnis. Und doch fühlte sich Regis seinem Verwandten gegenüber in einer sonderbar beschützenden Rolle, weil er seine Bitterkeit gespürt hatte. Er spürte den merkwürdigen Wunsch, ihn zu verteidigen.
Wieder kam ihm ein Gedanke in den Sinn, mit einer Frustration, die zu neu für ihn war, um zu wissen, daß sie unter Telepathen einen Gemeinplatz bedeutete, nämlich daß es Zeiten gab, in denen Laran bei persönlichen Beziehungen absolut keine Hilfe bedeutete.
Die Saison war vorüber. Man entließ die Kadetten nach Hause, und Regis zog in die HasturRäume in Schloß Comyn. Er schätzte die Ruhe und Stille dort und hatte Spaß daran, morgens so lange wie er wollte auszuschlafen. Und die Köche der Hasturs waren gewiß besser als die in der Offiziersmesse. Die lange Zeit der Askese, erst in Nevarsin, dann in der Kaserne, gab ihm fast ein Schuldgefühl wegen dieses Luxus. Er konnte es nicht so genießen, wie er gern gewollt hätte.
Eines Morgens frühstückte er mit seinem Großvater, als Lord Hastur plötzlich unvermittelt sagte: „Du siehst nicht gut aus. Was fehlt dir?”
Regis meinte, sein Großvater habe ihn so selten gesehen, daß er eigentlich keine Ahnung haben könnte, wie er normal aussah. Er war zu höflich, dies zu sagen, daher antwortete er: „Langeweile, vielleicht. Vielleicht nicht genug Bewegung.”
Es beunruhigte ihn, daß er unwillkürlich die Gedanken seines Großvaters auffing: Es ist nicht richtig, daß der Junge hier herumsitzt, wo ich so wenig Zeit für ihn habe. Hastur sagte laut: „Ich fürchte, ich war zu beschäftigt, es zu bemerken, mein Junge. Tut mir leid. Möchtest du gern nach Burg Hastur gehen oder irgendwo anders hin?” „Ich wollte mich nicht beklagen, Sir. Aber ich habe das Gefühl, ich bin Euch von keinem Nutzen. Als Ihr mich gebeten habt, den Winter über zu bleiben, dachte ich, es gäbe etwas für mich zu tun.”
„Ich wünschte, du könntest mir helfen. Unglücklicherweise hast du noch nicht genügend Erfahrung, um mir eine große Hilfe zu sein”, sagte Hastur, konnte jedoch ein flüchtiges Gefühl der Befriedigung nicht verbergen: Er fängt an, sich zu interessieren. „Irgendwann diesen Winter kannst du ja an ein paar Sitzungen der Cortes teilnehmen und sehen, was für Probleme wir dort haben. Ich werde dir einen Einlaßschein besorgen. Oder du könntest nach Edelweiß reiten und ein paar Tage bei Javanne bleiben.”
Regis zuckte die Achseln. Er langweilte sich auf Edelweiß. Es gab dort keinerlei Jagd, außer auf Kaninchen und Eichhörnchen. Der Regen zwang einen die meiste Zeit ins Haus, und er und Javanne waren altersmäßig zu weit auseinander und sich zu unähnlich, um gern beieinander zu sein.
„Ich weiß, es ist nicht sonderlich aufregend dort”, sagte Hastur fast entschuldigend, „aber sie ist deine Schwester, und wir haben nicht so viele Verwandte, daß wir einander vernachlässigen könnten. Wenn du jagen willst, kannst du jederzeit nach Armida gehen. Lew ist fort und Kennard zu krank, um zu reisen, aber du kannst einen Freund mitnehmen.” Aber der einzige Freund, den er bei den Kadetten gewonnen hatte, dachte Regis, wurde unehrenhaft entlassen. „Kennard ist krank, Sir? Was fehlt ihm?”
Danvan seufzte. „Das Klima bekommt ihm nicht. Er wird jedes Jahr mehr zum Krüppel. Es wird besser werden, wenn es regnet …” Er brach ab, als ein Diener mit einer Botschaft hereinkam. „Schon? Ja, ich muß nun mit der Delegation aus den Trockenstädten reden”, sagte er mit erschöpfter Resignation und legte die Serviette nieder. Er entschuldigte sich bei Regis und fügte hinzu:
„Laß mich deine Pläne wissen, Junge, und ich werde für dein Geleit sorgen.” Regis blieb allein zurück und goß sich noch eine Tasse terranischen Kaffee ein, ein seltener Luxus, den sich der nüchterne alte Mann gönnte, und dachte nach. Den Pflichtbesuch bei Javanne konnte er natürlich nicht umgehen. Ein Besuch auf Armida hatte bis Lews Rückkehr Zeit: Er hatte wohl kaum im Sinn, den Winter in Aldaran zu verbringen.
Wenn Kennard krank war, verlangte es die Höflichkeit, daß ihm Regis in seinen Räumen einen Besuch abstattete, doch aus ihm unbekannten Gründen wollte er den Alton-Lord nicht gern
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