Hasturs Erbe - 15
sehen. Er wußte nicht, warum. Kennard war immer freundlich zu ihm gewesen. Nach einer Weile identifizierte er sein Gefühl als Ablehnung: Er hatte dabeigestanden und Danilos Schande mit angesehen und kein Wort gesagt. Lew hatte sich einschalten wollen, doch er konnte es nicht. Kennard war es gleichgültig gewesen.
Und Kennard war einer der stärksten Telepathen bei den Comyn. Regis spürte seine Ablehnung und zögerte daher, ihm unter die Augen zu treten. Kennard würde sogleich merken, was er fühlte.
Rational wußte er, daß er sofort zu Kennard gehen mußte, wenn auch nur, um ihm über sein gerade hervorgebrochenes Laran zu berichten. Es gab Techniken, es auszubilden, um seine neue Fähigkeit besser zu kontrollieren und zu handhaben. Doch bei den Kadetten schien es keine Rolle zu spielen, und der angemessene Zeitpunkt, mit Lew zu reden, war erst zu spät gekommen. Dyan schien es für selbstverständlich zu halten, daß er bereits die notwendige Ausbildung hatte. Kennard war derjenige, zu dem er Kontakt aufnehmen mußte. Er ermahnte sich ernsthaft, daß er sofort gehen mußte, noch heute.
Doch immer noch zögerte er, ihm entgegenzutreten. Er beschloß, zuerst ein paar Tage zu Javanne zu gehen. Dann würde Lew vielleicht wieder zurück sein.
Ein paar Tage später ritt er nach Norden, und seine Gedanken standen immer noch unter der gleichen Belastung. Syrtis lag eine halbe Meile entfernt auf der Straße nach Norden, und spontan befahl er seiner Eskorte, in einem nahe gelegenen Dorf zu warten. Er ritt allein auf Syrtis zu.
Es lag am jenseitigen Ende eines langgestreckten Tales, das hinab zur Seenlandschaft um Mariposa führte. Es war ein klarer Herbsttag. Reifes Obst hing dicht an den Bäumen, und kleine Tiere raschelten in dem trockenen Buschwerk neben der Straße. Die Laute und Düfte verschafften Regis bei seinem Ritt Wohlbehagen, doch je näher er dem Hof kam, desto tiefer sank sein Herz. Er hatte Danilo für privilegiert gehalten, in diese schöne Landschaft zurückkehren zu können, doch er hatte nicht gewußt, was für ein ärmliches Anwesen es war. Das Haupthaus war klein und unansehnlich. Ein Flügel verfiel langsam und war kaum noch bewohnbar. Die paar kleineren Gebäude verrieten, wie wenig Menschen hier nur lebten. Man hatte den alten Wassergraben abgetrocknet, Gräben gezogen und in einen Küchengarten mit sauberen Reihen von Gemüse und Pflanzen verwandelt. Ein alter, gebeugter Diener sagte ihm, wobei er sich mit bäuerlicher Höflichkeit gegen die Brust stieß, daß der Herr gerade von der Jagd zurückkehre. Regis vermutete, daß hier wohl häufiger Kaninchen als anderes Fleisch aufgetischt würde.
Ein hochgewachsener älterer Mann in einem einst ansehnlichen Tuchumhang ritt langsam auf ihn zu. Er trug Schnurrbart und Backenbart und saß mit der aufrechten Lässigkeit eines ehemaligen Soldaten im Sattel. Ein feiner Falke saß mit seiner Haube auf dem Sattelknauf. „Seid gegrüßt”, sagte er mit tiefer Stimme. „Wir sehen nur wenige Reisende auf Syrtis. Wie kann ich Euch dienen?”
Regis stieg vom Pferd, machte eine höfliche Verbeugung. „Dom Felix Syrtis? Regis-Rafael Hastur,para servirte.”
„Mein Haus und ich stehen Euch zu Diensten, Lord Regis. Laßt mich für Euer Pferd sorgen. Der alte Maurus ist fast blind. Ich würde ihm ein so feines Tier nicht anvertrauen. Würdet Ihr mit mir kommen?”
Regis nahm sein Pferd am Zügel und folgte dem alten Mann zu einer steinernen Scheune hin, die in besserem Zustand als die meisten der Nebengebäude war und abgedichtet und neugedeckt schien. Am anderen Ende war ein eingezäunter Platz, in der Nähe gab es offene Pferdestände, und Regis versorgte sein Pferd in dem nächstgelegenen, während Dom Felix ein Bündel kleiner Vögel vom Sattel knüpfte und sein Tier absattelte. Regis sah Danilos schönen schwarzen Hengst in einer anderen Box stehen, daneben das alte, knochige Jagdpferd, das Dom Felix geritten hatte, und zwei gute, wenn auch alte Mähren. Die anderen Ställe waren leer, abgesehen von einem Paar schwerer Ackerpferde und einem oder zwei Milchkühen. Dies war in der Tat entsetzliche Armut für eine Familie von edlem Blut, und Regis schämte sich, Zeuge davon zu werden. Er erinnerte sich, daß Danilo kaum ein ungeflicktes Hemd auf dem Rücken gehabt hatte, als er zu den Kadetten kam.
Dom Felix betrachtete Regis schwarze Stute mit einer Liebe, die Männer seines Typs offen nur auf ihre Pferde und Falken richten. „Ein feines Tier, vai dorn. Von
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