Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hasturs Erbe

Hasturs Erbe

Titel: Hasturs Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
Vom Netzwerk:
weil ich mich immer noch von den brutalen Schlägen Kadarins erholen mußte. Jetzt war ich mir plötzlich wieder ihrer körperlichen Gegenwart bewußt. Sie fühlte es – wir standen die ganze Zeit über in losem Kontakt – und wandte ihr Gesicht ein wenig ab. Röte stieg in ihre Wangen. Es lag eine Spur von Trotz in ihren Worten: »Wie dem auch sei, ich muß mein Haar lösen und kämmen und wieder ordentlich flechten, ehe es so verfilzt wie bei Mhari und abgeschnitten werden muß.« Sie hob den Arm, zog die schmetterlingsförmigen Spangen heraus, die die Flechten im Nacken hielten und begann, die langen Zöpfe aufzulösen.
    Ich spürte eine heiße Welle von Verlegenheit. In der Ebene hätte das nicht einmal eine erwachsene Schwester vor ihrem Bruder gewagt. Ich hatte Linnells Haar nicht mehr lose gesehen, seit wir kleine Kinder waren, wenn ich ihr auch, als sie noch klein war, manchmal beim Kämmen geholfen hatte. Ich setzte mich und sah zu, wie der Elfenbeinkamm langsam durch das kupferfarbene Haar glitt. Es war absolut glatt und fein und nur ein wenig von den Zöpfen gewellt. Die Sonne, die durch Ritzen in den schweren hölzernen Laden drang, setzte Lichter darauf, als sei es aus einem edlen Metall. Schließlich sagte ich mit rauher Stimme: »Quäle mich nicht, Marjorie. Ich weiß nicht, ob ich es ertragen kann.«
    Sie blickte nicht auf, sondern sagte nur leise: »Warum sollte es dich quälen? Ich bin doch hier.«
    Ich streckte die Hand aus, nahm ihr den Kamm fort und drehte ihr Gesicht zu mir herum. »Ich kann dich nicht einfach so nehmen, Liebste. Ich mochte dir alle Ehren und Zeremonien geben.«
    »Das kannst du nicht«, sagte sie mit dem Anflug eines Lächelns. »Weil ich nicht mehr …« Die Worte tröpfelten langsam, als bereiteten sie ihr Schmerzen. »… nicht mehr Beltrans Recht akzeptiere, mich einem Mann zu geben. Mein Pflegevater hat mich dir versprochen. Das reicht als Zeremonie.« Plötzlich sprach sie rasch wie ein Schwall. »Und ich bin keine Bewahrerin mehr! Ich habe das hinter mir gelassen. Ich will nicht mehr von dir getrennt sein. Ich will es nicht. Ich will nicht!«
    Jetzt schluchzte sie. Ich schleuderte den Kamm beiseite, zog sie in meine Arme und hielt sie mit unerwarteter Leidenschaft.
    »Bewahrerin? Nein, nein, nie mehr«, flüsterte ich gegen ihre Lippen. »Niemals wieder …«
    Was soll ich sagen? Wir waren zusammen. Und wir liebten uns.
    Danach flocht ich ihr das Haar. Es schien mir fast so intim, wie miteinander zu schlafen. Meine Hände zitterten so sehr, als ich die silbrigen Strähnen berührte, wie sie gezittert hatten, als ich ihren Körper zum ersten Mal berührte. Wir schliefen lange Zeit nicht ein.
    Als wir erwachten, war es spät, und es schneite heftig. Als ich die Pferde satteln ging, peitschte der Wind den Schnee in eisigen Nadelspitzen über den Hof. Bei diesem Wetter konnten wir nicht reiten. Als ich wieder hineinkam, blickte mich Marjorie mit schuldbewußtem Kummer an.
    »Ich habe uns aufgehalten. Verzeih mir …«
    »Ich glaube, wir sind nun außer Reichweite der Verfolger, Preciosa . Aber wir würden nur wieder umkehren müssen. Wir können jetzt nicht reiten. Ich werde die Pferde in das Nebengebäude führen und sie füttern.«
    »Laß mich dir helfen …«
    »Geh nicht hinaus bei diesem Schnee, Liebste.«
    Als ich wieder hereinkam, hatte Marjorie in dem lange schon unbenutzten Kamin ein Feuer angezündet, einen zerstoßenen Steinkessel in einer Ecke gefunden, ihn gewaschen, am Brunnen gefüllt und etwas von unserem Trockenfleisch mit den Pilzen zu einer Suppe aufgesetzt. Als ich sie schalt, weil sie in den Hof gegangen war – bei solchen Schneestürmen sind manchmal Menschen in ihrem eigenen Hof verlorengegangen und erfroren –, sagte sie schüchtern: »Ich wollte ein Feuer haben … und ein Hochzeitsessen.«
    Ich umarmte sie und sagte: »In der gleichen Minute, in der mein Vater dich sieht, wird er entzückt sein, alles für uns zu arrangieren.«
    »Ich weiß«, antwortete sie, »aber ich hätte es lieber hier.«
    Dieser Gedanke wärmte mich mehr als ein Feuer.
    Wir aßen die heiße Suppe vor dem Feuer. Wir mußten uns einen Löffel teilen, und das Feuer brannte schnell herunter, und als sich wieder die Dunkelheit herabsenkte, flüsterte Marjorie: »Unsere erste eigene Feuerstelle.«
    Ich wußte, was sie meinte. Es war nicht die offizielle Zeremonie, di Catenas , die prachtvolle Hochzeitsfeier, wie sie unter meinen Verwandten üblich war, Marjories Proklamation

Weitere Kostenlose Bücher