Hauch der Verdammnis
hatte sie sich einfach nicht getraut, ihr die schlimme Nachricht mitzuteilen? Katharine sah Phil Howell mit tränenfeuchten Augen an. »Bitte«, flüsterte sie. »Versuchen Sie es weiter. Ich weiß nicht, was sie vorhaben, aber wenn wir es nicht herauskriegen, wird mein Sohn sterben.«
Wie in Trance ließ sich Katharine von Rob aus dem Gebäude führen. Weniger als eine Minute später saß Rob am Steuer ihres Wagens, während sie zitternd auf dem Beifahrersitz saß. In rasender Fahrt jagten sie über die Insel zurück zu Yoshiharas Anwesen.
Josh Malani lehnte an der Wand aus Plexiglas. Durch den bräunlichen Nebel, der um ihn herum waberte, starrte er in den leeren Raum, in dem der Kasten stand, worin er und Jeff Kina gefangen waren. Er wusste nicht, wie lange er schon hier war. In dem Raum gab es kein Fenster, und die Beleuchtung änderte sich nie.
An der Wand hing keine Uhr.
Das letzte, woran er sich noch erinnerte, war, dass er nach Sprecklesville gefahren war, weil er gedacht hatte, es werde ihm guttun, an der frischen Luft zu sein und vielleicht etwas zu schwimmen.
Schwach erinnerte er sich, dass er neben dem Truck zusammengebrochen war. Er hatte sich so schlecht gefühlt wie noch nie in seinem Leben.
Er hatte sich gefühlt, als müsse er sterben.
Dann war plötzlich jemand gekommen, hatte ihm aufgeholfen und ihn auf den Rücksitz eines Wagens gesetzt.
Als nächstes erinnerte er sich daran, dass er aufgewacht war und sich wieder gut gefühlt hatte.
Das beklemmende Gefühl in seiner Brust war verschwunden, und sein ganzer Körper schien mit Energie geladen. Doch dann hatte er die Augen geöffnet und gemerkt, dass etwas nicht in Ordnung war.
Zunächst einmal war da der Nebel; außerdem war er nackt.
Er lag auch nicht in einem Krankenhausbett.
Er lag überhaupt nicht in einem Bett.
Er lag auf einer Koje, und der braune Nebel erschwerte ihm die Sicht. Abgesehen davon fühlte er sich gut. Er richtete sich auf und sah, dass er nicht allein war.
Auf einer anderen Koje, etwa zwei Meter von ihm entfernt, lag noch jemand. Nachdem er die letzten Reste von Schläfrigkeit abgeschüttelt hatte, erkannte Josh, wer es war. Jeff Kina. Jeff schlief noch. Josh erhob sich, ging auf ihn zu und berührte ihn leicht. Jeff erwachte, ließ sich auf den Boden rollen und kauerte dort, als wolle er sich jeden Augenblick auf Josh stürzen.
»He, Jeff, ich bin's«, sagte Josh und wich unwillkürlich zurück. Zuerst hatte er geglaubt, dass Jeff ihn gar nicht erkannte, aber dann wurde der andere langsam wieder ruhiger und setzte sich auf den Betonboden. Er starrte Josh nur an, und als er endlich etwas sagte, klang seine Stimme rauh, fast guttural. Auch wenn er offenbar nicht mehr vorhatte, Josh anzugreifen, sah er ihn doch mit dem starren Blick eines Raubtiers an, das seine Beute im Visier hat.
»Dich haben sie also auch.«
Zunächst verstand Josh gar nicht, was Jeff überhaupt meinte, aber dann fiel es ihm wieder ein - das Zuckerrohrfeld!
Der Wagen, der an der Einmündung der Straße geparkt hatte und in das Feld gerast war, als er selbst davonfuhr.
Und der andere Wagen, der mit dem Blaulicht. Er hatte ihn für ein Polizeiauto gehalten, das ihm aber nicht gefolgt war, obwohl er auf seiner Flucht vor dem Feuer mit viel zu hoher Geschwindigkeit an ihm vorbeigefahren war.
Vor dem Feuer, in dem er Jeff im Stich gelassen hatte.
»Es ... es tut mir leid«, flüsterte er. »Ich hätte dich ...« Er zögerte und sagte dann: »Ich hätte dich nicht allein lassen dürfen.«
»Du meinst, du hättest dich nicht aus dem Staub machen dürfen«, murrte Jeff. Er funkelte Josh böse an und spannte seine Muskeln. Josh bereitete sich auf einen Angriff vor.
Jeff Kina war fast zwei Köpfe größer und viel schwerer als er, aber bislang hatte Josh noch nie Angst vor ihm gehabt.
Doch jetzt spürte er, dass Jeff sich zusammenreißen musste, um sich nicht auf ihn zu stürzen. »Was haben sie getan?« flüsterte er, und man sah ihm die Furcht an, die tief in ihm saß. »Wer sind sie? Was haben sie mit uns gemacht?«
Einen schrecklichen Augenblick lang sah Josh, wie es in Jeff brodelte, doch dann sackte der Junge zusammen.
»Wir werden sterben«, sagte er. »Wie Kioki. Wir werden sterben.«
»Warum?« fragte Josh. »Was weißt du?«
»Ich weiß gar nichts. Ich weiß nichts, und wir können niemanden fragen.«
Josh begann die Plexiglaswand abzusuchen. Jeden Zentimeter tastete er auf der Suche nach einem möglichen Ausgang ab. Immer
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