Hauch der Verdammnis
Aber noch während sie darüber nachgrübelte, hörte sie die Stimme ihres Sohnes: Ach, komm schon, Mom. Sie wissen ja noch gar nicht, was mit Kioki passiert ist.
»Elaine?« sagte sie mit zitternder Stimme. »Was ist mit den anderen Jungen, die mit Ihrem Sohn tauchen waren? Kennen Sie die Namen? Oder wissen Sie, woher sie kamen?«
»Ich glaube nicht«, sagte Elaine. »Doch, warten Sie, da war ein Junge aus New Jersey, Shane, mit dem war Mark noch nach dem Tauchen zusammen. Einen Moment.« Es schien Katharine endlos zu dauern, bis Elaine sich wieder meldete. »Mark hatte es auf ein Stück Papier geschrieben und in seine Brieftasche gesteckt. Er heißt Shane Shelby und wohnt in Trenton, New Jersey.« Elaine las ihr Straße und Telefonnummer vor, und Katharine kritzelte sie auf die Rückseite der Karte, die sie von Mark Reynolds' Leiche entfernt hatte. »Geben Sie mir Bescheid, wenn Sie etwas herausfinden?« fragte Elaine.
»Das werde ich tun«, versprach Katharine. »Bestimmt.«
Kaum hatte sie aufgelegt, wählte sie die Nummer, die Elaine Reynolds ihr gegeben hatte. Nach dem vierten Klingen hörte sie die Stimme eines Mannes.
»Keith Shelby.«
Katharine bemühte sich, ganz ruhig zu bleiben. »Mr. Shelby, mein Name ist Dr. Katharine Sundquist. Sind Sie der Vater eines Jungen namens Shane?«
Mehrere Augenblicke lang schlug ihr Stille aus dem Hörer entgegen, und Katharine befürchtete schon, dass der Mann aufgelegt hatte. Doch dann meldete er sich wieder. »Wer, sagten Sie, spricht dort?« fragte er mißtrauisch.
Katharine stellte sich noch einmal vor. »Ich weiß, es klingt seltsam, Mr. Shelby, aber ich muss wissen, ob es Ihrem Sohn gutgeht.«
Erneut ein langes Schweigen - noch länger als beim erstenmal -, und Katharine ahnte, was Mr. Shelby gleich sagen würde. Schließlich sagte sie es selbst: »Ihm ist etwas zugestoßen, nicht wahr, Mr. Shelby?«
»Er ist tot, Dr. Sundquist«, sagte Keith Shelby tief bedrückt. »Es war seine Lunge. Sie haben nie herausgefunden, was genau es war. Sie tippten auf einen neuen Virus oder so etwas. Ich verstehe nichts von solchen Sachen, aber sie haben mir gesagt, dass diese Viren andauernd mutieren. Wir glauben, dass er sich vielleicht auf dem Rückflug von Maui angesteckt hat. Danach ging es ihm nie mehr richtig gut.«
Nachdem sie das Gespräch beendet hatte, starrte Katharine wie betäubt aus dem Fenster.
Was um alles in der Welt ging hier vor?
Versteckten sie Shane Shelbys Leiche vielleicht auch irgendwo auf dem Anwesen?
Minutenlang starrte sie ins Leere. Ihre Gedanken verschwammen, zum Teil, weil sie in den letzten beiden Nächten so wenig geschlafen hatte, aber zum Teil auch, weil ihr die seltsamen und erschreckenden Informationen aus den Händen zu gleiten schienen, Teile eines Puzzles, das sie nicht zusammensetzen konnte.
Denk nach! befahl sie sich. Die Antworten sind hier, du musst sie nur finden.
Katharine schob Angst und Müdigkeit beiseite und machte sich an die Arbeit.
Das Handy in Takeo Yoshihara Jackentasche summte leise. Er verließ den Konferenzraum im Hotel Hana Maui, ging auf den Flur und hielt das Telefon ans Ohr. »Ja?« Er hörte eine Weile zu. »Und mit wem hat Dr. Sundquist telefoniert?« fragte er schließlich den Anrufer, der die Besprechung mit seinen Partnern beim Serinus-Projekt unterbrochen hatte.
Wenige Sekunden später in den Konferenzraum zurückgekehrt, dachte Takeo Yoshihara bereits darüber nach, wie er sich auf effizienteste Weise Katharine Sundquists entledigen konnte. Und ihres Sohnes.
Michael fühlte sich schon schlecht, als er am Morgen erwachte. Seine Brust war wie zugeschnürt, und sein ganzer Körper schmerzte. Er sagte seiner Mutter nichts, denn die hätte ihn nur wieder zu Dr. Jameson geschleppt. Ohne ein Wort ging er zum Schulbus, in der Hoffnung, dort Josh Malani zu treffen.
Doch er traf ihn nicht. Schließlich rief er bei ihm zu Hause an. Joshs Vater - er klang, als hätte er den Rausch vom vorigen Abend noch nicht ausgeschlafen - knurrte, dass Josh nicht zu Hause sei. Als Michael ihn fragte, ob er letzte Nacht überhaupt zu Hause gewesen sei, murmelte Sam Malani nur, ihm sei es völlig egal, wo Josh sich herumtreibe, und hängte auf. Während der Tag voranschritt, wuchsen Michaels Sorgen um Josh. Die Schmerzen in seiner Brust nahmen ebenfalls zu.
In der dritten Stunde wurde es so schlimm, dass er sich fragte, ob er nicht doch wieder einen Asthmaanfall bekommen würde. Er konnte kaum noch atmen. Der Versuch,
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