Hauch der Verdammnis
Yoshihara mit ihr das gleiche gemacht hatte wie mit den Mitarbeitern des Serinus-Projekts. Die Techniker in den Labors wussten nur so viel wie unbedingt nötig, um ihre Arbeit erledigen zu können, und offenbar hatte Takeo Yoshihara entschieden, dass sie über das Kugelobjekt oder seinen Inhalt nichts wissen sollten. Dennoch machte er keinerlei Anstalten, es zu verbergen.
Die Aufgabe der Techniker bestand wahrscheinlich darin, sich um die Tiere zu kümmern und zu überwachen, welche Mengen der Substanz aus der Kugel ihnen verabreicht wurden.
Ein Gas? Möglicherweise. Sowohl die runde Form des Objekts als auch seine schwer wirkende metallische Zusammensetzung schienen geeignet, hohen Druck auszuhalten. Druck, wie er von einem flüssigen Gas ausgehen würde.
Es schien unmöglich, aber die logische Schlußfolgerung konnte nur lauten: Die Substanz aus der Kugel, die den Tieren verabreicht wurde, diente als Gegenmittel gegen die giftigen Gase, die sie einatmeten. Und da die meisten von ihnen noch lebten, musste es sogar in gewisser Weise funktionieren.
Aber wenn die gashaltige Substanz der Kugel den Stoffwechsel der Tiere veränderte und ihnen ermöglichte, in einer vergifteten Atmosphäre zu überleben, welche Nebenwirkungen traten dann auf?
Sie starrte auf das seltsame Skelett, das sie ausgegraben hatte. Handelte es sich vielleicht doch um eine Art Anthropoiden, der hier in Takeo Yoshiharas Forschungslabor verändert und nach seinem Tod einfach begraben worden war?
Aber dann machte sie sich bewusst, dass dieses Skelett weitaus eher humanoid als anthropoid war, und sie dachte an die Leiche von Mark Reynolds, die unten in einer Schublade lag, und an die geschützten Dateien im Computer. Ihr kam ein erschreckender Gedanke:
War es möglich, dass es in den geschützten Dateien des Serinus-Projekts nicht nur um Tierversuche ging?
Was, wenn die Forschungen auch auf Menschen ausgedehnt worden waren?
Was, wenn sie Mark Reynolds' Leiche nicht deshalb nach Maui gebracht hatten, weil er an den Folgen einer Kohlenmonoxidvergiftung gestorben war?
Die Gedanken rasten durch ihren Kopf. Immer mehr Teile des Puzzles fügten sich zusammen.
Wenn man jemandem Gas zuführte, wie würde man das machen?
Mit Gasflaschen natürlich.
Und Sauerstoffflaschen konnten leicht mit etwas anderem als Sauerstoff gefüllt werden. Mark Reynolds und Shane Shelby waren getaucht, als sie auf Maui waren.
Was, wenn Mark Reynolds und Shane Shelby nicht die einzigen waren?
Die Dateien! Die verdammten geschützten Dateien, an die sie nicht herankam. Aber sie kannte jemanden, der es konnte.
Phil Howell.
Er saß doch die ganze Zeit vor seinem Computer.
Sie griff nach dem Telefonhörer, aber dann dachte sie wieder an die Kameras und die versteckten Mikrofone und legte auf. Paranoia? Wenn auch nur ein Körnchen Wahrheit in der schrecklichen Theorie steckte, die sie sich ausgedacht hatte, dann war an ihren Ängsten überhaupt nichts Paranoides.
Sie sah zur Uhr - fast vier.
Wenn sie jetzt ging, würde es niemanden auffallen, und ihr bliebe noch genug Zeit, zu Phil Howells Büro in Kihei zu fahren. Wenn er nicht dort war, würde sie ihn wahrscheinlich im Computercenter auf der anderen Straßenseite finden. Sie räumte Robs Büro noch etwas auf und benahm sich so unauffällig wie möglich.
Ihr erschien jede Bewegung viel zu bewusst, und sie hatte das Gefühl, sich schon längst verraten zu haben.
Auf einen Zettel schrieb sie eine wohlüberlegte Nachricht für Rob: »Wir treffen uns in Phils Büro - ich habe eine Idee.« Während sie schrieb, spürte sie förmlich, wie ihr eine Kamera über die Schulter spähte, die nicht nur die Worte las, sondern auch ihre Bedeutung verstand. Aber als sie kurz darauf durch die Lobby ging, schaute der Wachmann kaum von seinem Magazin auf und nickte ihr lediglich kurz zu.
Als sie nach Kahului fuhr, überschritt sie die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit nicht um einen Stundenkilometer. Kurz vor der Abkürzung nach Makawao dachte sie an Michael.
Schon seit einer Stunde entwickelte sie die Theorie, dass Mark Reynolds und Shane Shelby etwas anderes als Sauerstoff aus ihren Flaschen eingeatmet hatten. Und seither versuchte sie den Gedanken zu verdrängen, dass auch Michael so etwas widerfahren war.
Einer der Jungen, mit denen er getaucht hatte, war bereits gestorben!
Sie redete sich ein, dass sie ihre Paranoia nicht mehr unter Kontrolle hatte, dass Kioki Santoyas Tod nur ein tragischer, aber bedeutungsloser Zufall
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