Hauch der Verfuehrung
auch skizzieren lassen.«
Sie schaute ihn an, ein amüsiertes Lächeln um die Lippen. »So, muss ich das?«
Er nickte; mit vorgeschobenem Kinn betrachtete er sie, dann zog er sie weiter zu der Sitzbank vor dem Fenster. »Setz dich.«
Sie gehorchte und sah ihn an, umflossen von elfenbeinfarbener Seide. Ihr Haar schimmerte im Licht der Kerzen warm und einladend, wie auch ihre vollen, üppigen Lippen, die matt glänzten.
Er zwang sich, sich umzudrehen; dann nahm er seinen Rock von der Stuhllehne und ließ ihn zu Boden fallen, stellte den Stuhl in sicherer Entfernung hin und nahm darauf Platz. Er winkelte das eine Bein an und legte es so über das andere, dass er den Block darauf ablegen konnte - und schaute sie an. Wollte sie nur als Modell sehen - und war dazu nicht in der Lage.
Mit einer kreisenden Bewegung des Zeigefingers bat er sie: »Dreh dich zum Fenster um und lehne dich mit einem Ellbogen auf die Fensterbank.«
Sie kam seinem Wunsch nach und kniete sich mit einem Bein auf die gepolsterte Bank - die Pose, die er verlangt hatte.
Der Morgenrock klaffte auf, über ihrem Busen und an ihrem Knie. Ihr Nachthemd war in der Tat durchsichtig. Von den Fleckchen blasser Haut, die er ab und zu aufblitzen sah, wurde ihm der Mund ganz trocken.
»Bleib so.« Seine Stimme war beinahe barsch. Er presste die Lippen zusammen und zeichnete - aber keine seiner gewohnten flüchtigen Skizzen, sondern eine Studie mit viel mehr Details, Schatten und Licht, sodass alles plastisch erschien.
Und das nahm ihn gefangen, anders und tiefer als die Arbeit zuvor.
Selbst als er die verletzliche Linie ihres Halses nachzeichnete, den sirenenhaften Schwung ihrer Lippen, die köstlichen Rundungen ihrer Brüste unter dem glänzenden Seidensatin, war er sich seiner Faszination überdeutlich bewusst - nicht wie er es gewöhnlich mit dem Modell erlebte, mit dem er gerade arbeitete, sondern viel intensiver.
Er war völlig gefesselt von ihr und konnte nichts dagegen tun.
Zwanzig Minuten mussten mindestens vergangen sein, und sie beklagte sich nicht, sondern beobachtete ihn einfach aus ihren grün-goldenen Augen. Es gelang ihm, auch diesen offenen Blick einzufangen, dann begutachtete er, was er zu Papier gebracht hatte - in ihren Augen stand keine Herausforderung, sondern nur eine schlichte Sicherheit, ein Abglanz der Stetigkeit in ihrem Wesen, die ihn von Beginn an in Bann gezogen hatte.
Er blickte auf - sie sah ihn an. »Du brauchst mich nicht zu verführen.«
Wenn sie unverblümt ehrlich war, dann konnte er das auch sein.
Ihre Augen weiteten sich ein wenig, dann zuckte es um ihre Lippen. »Nein?«
»Nein.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Dir scheint gar nicht bewusst zu sein, wie gefährlich das hier sein kann ... und zwar für dich.« Und für ihn. Er kannte das Land nicht länger, das sie erkundeten; wenn es um sie ging, so war er sich nicht einmal mehr sicher, ob er sich selbst noch kannte.
Jacqueline erwiderte seinen Blick, dunkel und offen aufgewühlt, während sie seine Bemerkung erwog, seine Warnung. Schließlich sagte sie: »Ich habe darüber nachgedacht, bin aber zu dem Schluss gekommen, dass die größere Gefahr darin besteht, nichts zu unternehmen.«
Eine steile Falte erschien auf seiner Stirn, aber sie wollte keine weiteren Erklärungen abgeben. Sie hatte lange überlegt; für sie waren ihre Schlussfolgerungen richtig. Sie hatte keine Garantie, dass er in ihrem Leben bleiben würde, sobald das Bild fertig war; heute Abend hatte Barnaby ihr gesagt, dass Gerrard schon in weniger als zwei Monaten abreisen könnte.
Langsam und behutsam voranzugehen war nicht länger eine Option. Sie wollte wissen, was genau da zwischen ihnen aufloderte, sobald sie sich nahekamen. Er hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass er ihr nichts versprechen konnte und wollte. Sei, wie es sei - sie musste es dennoch wissen, die Gelegenheit ergreifen, die das Schicksal ihr zugespielt hatte, um dieses bislang unbekannte Gebiet zu erforschen.
Wer wusste schon, wann sie das nächste Mal eine Chance dazu erhielt? Er war der erste und einzige Mann, der diese Gefühle in ihr weckte.
Und noch entscheidender war der Gedanke, was wäre, wenn sie nichts tat, sondern den sicheren Pfad beschritt und am Ende etwas unwiederbringlich verpasste - unwissentlich eine Erfahrung versäumte, die, wenn man ihr die Zeit gegeben hätte, Knospen getrieben und letztlich aufgeblüht wäre, die am Ende gar eine lebenswichtige Entwicklung für sie beide bedeutet
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