Hauch der Verfuehrung
gegangen war. Als sie den Garten des Hades erreichten und in den dunklen Schatten der Zypressen traten, hörten sie vor ihnen Stimmen. Sie schauten nach oben und entdeckten eine Gruppe Männer an einer teilweise abgerutschten Böschung. Der Obergärtner Wilcox war da, und mit ihm zwei seiner Männer, mit Schaufeln bewaffnet. Der Oberstallmeister Richards stand ebenfalls dabei, ebenso ihr Vater und natürlich Treadle.
Jacqueline blieb auf dem Weg stehen. Barnaby ging weiter, kletterte die Anhöhe hinauf. Gerrard sah sie an, wartete dann an ihrer Seite.
Ihr Vater sprach mit Barnaby, dann drehte er sich um und bemerkte sie. Barnaby warf ihr einen Blick zu, schlug etwas vor. Ihr Vater zögerte, dann nickte er; vorsichtig und schwerfällig stieg er die Böschung hinunter. Treadle hielt sich immer fürsorglich an seiner Seite. Barnaby folgte ein Stück hinter ihnen.
Ihr Vater betrat den Weg; blass und ein wenig atemlos benötigte er einen Moment, um seinen Rock gerade zu ziehen, dann stützte er sich auf seinen Stock - stützte sich schwer darauf. »Es tut mir leid, mein Liebes - das hier ist in höchstem Maße besorgniserregend.«
Sie fasste ihn am Arm. »Wer ist es?«
Ihr Vater erwiderte ihren Blick, dann schüttelte er den Kopf. »Wir sind uns nicht recht sicher ...«Er seufzte, hielt seine rechte Hand hoch und öffnete die geschlossenen Finger. »Mr. Adair wollte wissen, ob du dies hier vielleicht wiedererkennst?«
Sie schaute auf die Taschenuhr, die auf seiner Hand lag.
Einen langen Moment sagte sie nichts, starrte nur darauf, wobei ihr die Lungen vorübergehend den Dienst versagten und ihr das Herz bis zum Halse schlug. Dann streckte sie die Hand aus - nicht, um die Uhr zu nehmen, sondern um mit einem Finger den Schmutz von der Gravur auf dem geschlossenen Uhrendeckel zu reiben.
Sie beugte sich vor, betrachtete sie: »Sie gehört Thomas.«
Dann war ein Rauschen in ihren Ohren, und ihr wurde schwarz vor Augen.
8
Sie kam zu sich, wusste aber nicht, wie viel Zeit vergangen war, seit sie in Ohnmacht gefallen war. Sie lag auf der Chaiselongue im Salon. Millicent, Gerrard und Barnaby standen in der Nähe und unterhielten sich mit gedämpfter Stimme.
Als sie sich in eine sitzende Haltung kämpfte, bemerkte Millicent das und eilte zu ihr. »Du solltest noch ein wenig liegen bleiben, Liebes. Du hattest eine tiefe Ohnmacht, als Mr. Debbington dich ins Haus getragen hat.«
Jacqueline blickte zu Gerrard, der zum Sofa kam und sich hinter die Rückenlehne stellte. »Danke.«
Seine Miene blieb steinern. »Wenn Sie mir danken wollen, dann bleiben Sie da, wo Sie sind.«
Millicent blinzelte verwundert, von seinem Ton unangenehm berührt. »Äh ... hättest du gerne ein Glas Wasser, Liebes?«
»Tee wäre mir am liebsten.«
»Ja, natürlich.« Millicent betätigte die Klingelschnur.
Gerrards Blick ruhte auf ihr, und daher ließ sich Jacqueline vorsichtshalber betont entspannt in die Kissen sinken. Sie schaute zu Barnaby, der vor dem Kamin stand. »Was geschieht jetzt?«
Barnaby sah zu Gerrard hinüber, dann kam er einen Schritt näher heran. »Ihr Vater hat den Richter verständigt. In der Zwischenzeit beaufsichtigen Wilcox und Richards die ... äh, die Exhumierung.«
Ein Kälteschauer durchzuckte sie. »Kann man sagen ... Lässt sich erkennen, wann er getötet wurde? Oder wie?« Sie schaute Barnaby forschend, ja suchend an. »Ist er erschossen worden?«
Barnaby blickte wieder zu Gerrard, der seufzte. Er bedeutete seinem Freund, auf einem Stuhl in der Nähe Platz zu nehmen, ging um die Chaiselongue herum und setzte sich ans Fußende. »Vielleicht ist es ja besser, darüber mit ihr zu sprechen, nachdem sie nun einmal wild entschlossen ist, alles zu erfahren.«
Sie warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu, aber Millicent, die sich auf dem Lehnstuhl niedergelassen hatte, nickte. »Ich kann keinen Vorteil darin erkennen, so zu tun, als hätten wir keinen Leichnam im Garten liegen und als ob es nicht der arme Thomas Entwhistle wäre. Jacqueline wird sich mit Sicherheit viel wohler fühlen, wenn wir über die Sache ruhig und vernünftig reden.«
»Ja, genau.« Dem Himmel sei Dank für umsichtige Tanten. Jacqueline sah wieder zu Barnaby; offensichtlich verfügte er über die Informationen. »Weiß man, wann er ... Thomas gestorben ist?«
»Nur, dass es schon lange her ist.« Barnaby verzog das Gesicht. »Ein Jahr wenigstens, vermutlich mehr. Wann wurde er zuletzt gesehen?«
Sie dachte nach, zählte die Monate und Jahre.
Weitere Kostenlose Bücher