Hauch der Verfuehrung
nicht kannten, hereinkamen. Jacqueline schwang ihre Beine vom Sofa; Gerrard reichte ihr seine Hand und half ihr auf die Beine. Ihre bleiche Gesichtsfarbe gefiel ihm nicht - und auch nicht, wie sie sich unwillkürlich verspannte. Er nahm ihren Arm, legte ihre Hand auf seinen Unterarm und bedeckte sie mit seiner. Auch Millicent erhob sich und stellte sich auf die andere Seite von Jacqueline.
Der Herr verbeugte sich vor Millicent und Jacqueline, die knickste.
Lord Tregonning deutete zu Gerrard und Barnaby. »Dies hier sind Mr. Adair, der den Leichnam gefunden hat, und Mr. Debbington, ein weiterer Gast. Sir Godfrey Marks, unser Friedensrichter.«
Barnaby und Gerrard schüttelten Sir Godfrey die Hand und begrüßten ihn höflich.
Sir Godfrey wandte sich an Jacqueline. »Es tut mir so leid, Sie zu behelligen, meine Liebe, aber Ihr Vater hat mir die Taschenuhr gezeigt, die bei dem Leichnam gefunden wurde.« Sir Godfrey hielt sie ihr hin. »Sind Sie sicher, dass das Stück Thomas Entwhistle gehört hat?«
Der letzte Rest Farbe wich aus Jacquelines Gesicht, ihre Miene war wie versteinert. Sie warf einen flüchtigen Blick auf die Uhr, dann nickte sie. »Ich bin mir sicher. Sir Harvey und Lady Entwhistle können das bestimmt bestätigen.«
Sir Godfrey zögerte, betrachtete forschend ihre Züge, dann nickte er und steckte die Taschenuhr wieder ein. »Es ist so lange her - es tut mir leid, aber könnten Sie meine Erinnerung bitte auffrischen? Sie haben ihn zu den Ställen begleitet und sich dort von ihm getrennt, nicht wahr?«
»Nein.« Jacqueline hob ihr Kinn; Gerrard spürte, wie sich ihre Finger fester um seinen Ärmel schlossen. »Ich bin nur ein kleines Stück mit ihm gegangen - bis an die Stelle, wo der Garten des Herkules beginnt. Thomas ging weiter, und ich kehrte ins Haus zurück.«
Sir Godfrey schaute Lord Tregonning an, dann kurz zu Jacqueline; seine Miene erinnerte verdächtig an Mitleid. »Also waren Sie die letzte Person, die ihn hier lebend gesehen hat?«
Gerrard fühlte ihre Finger unter seiner Hand zittern, aber ihr Kinn blieb fest und ihr Gesichtsausdruck gleichmütig.
»Ja.«
Sir Godfrey nickte bedeutungsschwer, dann wandte er sich an Lord Tregonning. »Wir wollen es dabei belassen.« Sein Ton war schwerfällig. »Ich werde mit den Entwhistles sprechen und setze Sie dann ins Bild. Hätten natürlich Zigeuner oder Vagabunden sein können. Macht keinen Sinn, der Sache jetzt noch nachzugehen - nichts kann uns den armen jungen Entwhistle wiedergeben.«
Lord Tregonnings Gesicht blieb verschlossen. »Wie Sie wünschen.« Seine Stimme war bar jeden Gefühls. Er schaute weder Jacqueline noch sonst jemanden an, sondern erwiderte nur steif Sir Godfreys Nicken und wandte sich mit ihm zur Tür.
Mit beinahe vor Verblüffung offen stehendem Mund und einem ungläubigen Ausdruck in den Augen starrte Barnaby erst zu Gerrard, dann zu Jacqueline. Ehe Gerrard ihn davon abhalten konnte, war er den beiden Männern nachgeeilt; er berührte Sir Godfrey am Arm. »Sir Godfrey, wegen der Umstände dieses Todesfalls ...«
Sir Godfrey blieb stehen und betrachtete Barnaby unter finster zusammengezogenen Brauen. »Ich glaube nicht, dass wir uns näher damit beschäftigen sollten, Sir.« Nach einem flüchtigen Blick in Richtung Jacqueline sah er wieder Barnaby an. »Ich muss Sie sicherlich nicht erst daran erinnern, dass Sie hier nur Gast sind. Es macht keinen Sinn, irgendjemandem unnötigen Kummer zu bereiten - ein trauriger Zwischenfall, aber es ist müßig, in dieser Sache noch etwas zu unternehmen.«
Mit dieser abschließenden Bemerkung nickte Sir Godfrey erneut knapp, dann verließ er mit Lord Tregonning den Raum.
Barnaby schaute ihnen verdutzt nach.
Als sich die Tür hinter den beiden älteren Herren geschlossen hatte, drehte er sich um. »Was, zum Teufel, sollte das denn?« Er sah pikiert von Gerrard zu Jacqueline. »Der Kerl hat ja so getan, als hätten Sie Thomas Entwhistle umgebracht! Warum, um Himmels willen, sollte er das denken?«
Gerrard fühlte, wie die Spannung aus Jacquelines Körper wich. Mit einer hilflosen Handbewegung sank sie zurück auf die Chaiselongue. »Weil«, antwortete er Barnaby mit eiskalter, schneidender Stimme, »zu viele Leute hier glauben, Jacqueline habe ihre Mutter getötet - warum also nicht auch Thomas?«
»Was?«, rief Barnaby fassungslos und blickte Jacqueline an. »Aber das ist doch völliger Unsinn, absolut lachhaft. Sie hätten nie im Leben Ihre Mutter umbringen
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