Hauch der Verfuehrung
»Vor zwei Jahren und vier Monaten.«
»In dem Fall spricht einiges dafür, dass er auch an dem Tag getötet wurde. Das letzte Mal, dass er lebend gesehen wurde, war doch hier, oder?«
Sie spürte, wie die Kälte sich weiter in ihr ausbreitete; langsam nickte sie. »Ja. Von mir.« Sie schaute erst Barnaby an, dann Gerrard. »Ich war die Letzte, die mit ihm gesprochen hat... wie bei Mama.«
Barnaby runzelte die Stirn. »Ja, schon, aber das heißt ja noch lange nicht, dass Sie sie auch umgebracht haben, nicht wahr?«
Ob seines Tonfalls - als hielt er diese Vorstellung für völlig abwegig - sahen Gerrard und Jacqueline ihn erstaunt an.
Barnabys Stirnrunzeln wurde ausgeprägter. »Was ist?«
Gerrard schüttelte den Kopf. »Nichts. Was kannst du sonst noch sagen?«
Barnaby schnitt eine Grimasse. »Thomas wurde mit einem Stein erschlagen. Mit einem großen.« Mit seinen Händen umriss er etwa zwölf Zoll im Quadrat. »Vielleicht so. Jemand hat ihn aufgehoben und ihm damit von hinten den Schädel eingeschlagen.«
Jacqueline schluckte. Thomas war tot; er war schon vor langer Zeit gestorben, und sie wollte schließlich erfahren, wie. »Ich habe ihn ein Stück auf dem Weg zu den Ställen begleitet. Wir haben uns am Anfang des Herkules-Gartens getrennt, und er ist weitergegangen. Warum ... wie kommt er in den Garten des Hades? Der ist ziemlich weit entfernt, oder?«
»Allerdings.« Barnaby klopfte mit den Fingern auf die Armlehne seines Stuhles, dann schaute er zu Jacqueline. »Sie haben sich am Anfang des Herkules-Gartens getrennt - also noch weit vor und außer Sichtweite der Stelle, wo der Seitenpfad auf den Hauptweg trifft - dem, der am Fuße des nördlichen Bergrückens entlang durch den Herkules-Garten läuft, durch den Demeter-, Dionysos- und schließlich zum Hades-Garten.«
Sie nickte. »Ich sollte eigentlich nicht weiter als bis zum Ende der Terrasse mit ihm gehen, aber ich bin dann doch noch ein wenig bei ihm geblieben - der Weg ist offen einsehbar bis an den Rand des Herkules-Gartens.«
»Richtig.« Barnaby richtete sich auf. »Also hätte Thomas jemanden weiter drinnen im Garten treffen können, ohne dass Sie es wussten.«
Eine steile Falte bildete sich zwischen ihren Brauen. »Ja, das stimmt.«
»Hätten Sie es gehört, wenn er mit jemandem geredet hätte?«
»Nicht wenn Sie in der Nähe des anderen Weges meinen - bis er dort angekommen war, war ich schon längst wieder auf der Terrasse. Ich hätte nichts davon erfahren, dass er jemandem begegnet ist, es sei denn, er hätte etwas gerufen, aber wahrscheinlich noch nicht einmal dann - der Wind weht meist in der anderen Richtung.«
»Ich bezweifle, dass er gerufen hat.«
»Warum?«, erkundigte sich Gerrard.
»Weil..., nun, Thomas war doch ziemlich groß, oder?«
Jacqueline nickte. Sie sah zu Gerrard. »So groß wie Mr. Debbington, aber schlanker.«
»Dem Schaden zufolge, den der Stein angerichtet hat, muss derjenige, der ihn erschlagen hat, dicht hinter ihm gestanden haben, vermutlich ein Stück oberhalb von ihm. Ich denke nicht, dass das so einfach passieren konnte, es sei denn, Thomas kannte den Mann gut.«
Gerrard sah, wie alle Farbe aus Jacquelines Gesicht wich. »Ein Mann - keine Frau?«
Barnaby blinzelte überrascht. »Eine Frau?« Er überlegte einen Moment, starrte blicklos in die Ferne, dann schüttelte er den Kopf. »Das kann ich nicht glauben - wer auch immer den Stein hochgehoben hat, muss ziemlich stark gewesen sein. Allein schon einen solchen Brocken aufzunehmen fiele den meisten Frauen schwer. Und da Thomas groß war, musste der Täter, selbst wenn er sich auf dem steilsten Stück des Weges hinter ihm befand, den Stein aus einiger Höhe niedersausen lassen, damit er ihn töten konnte.« Er schaute Gerrard an. »Ein einziger Schlag, das war alles.«
Millicent entschlüpfte ein Laut der Bestürzung.
Barnaby wurde rot. »Entschuldigung. Aber, ... nun, es kann keine Frau gewesen sein - keine gewöhnliche Frau jedenfalls. Eine Riesin vielleicht, aber wenn Thomas keine hier aus der Nähe gekannt hat, dann ...« Barnaby lächelte entschuldigend, versuchte, die Stimmung ein wenig zu heben.
»Du sagst also«, wiederholte Gerrard, »dass Thomas von einem Mann umgebracht wurde, und höchstwahrscheinlich von einem Mann, den er kannte.«
Barnaby nickte. »Das scheint die einzig vernünftige Schlussfolgerung.«
Die Türen zum Salon öffneten sich. Barnaby und Gerrard erhoben sich, als Lord Tregonning und ein älterer Herr, den sie noch
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