Hauchnah
Küche.
„Guten Morgen, Natalie.“
Sie zuckte zusammen, als Liz’ Stimme hinter ihr erklang, und ihre Wangen röteten sich unwillkürlich. „G…guten Morgen. Hast du schon gefrühstückt?“
„Sicher.“
Die Stimme der Frau klang wie immer ruhig und freundlich. Natalie war unendlich dankbar dafür, dass sie mit keinem Wort, mit keinem Ton Bezug nahm auf das, was am Vorabend geschehen war.
„Ich erledige meinen Papierkram am Esstisch. Ruf mich, wenn du mich brauchst.“
„Danke. Mach ich. Und, Liz …“ Sie hielt inne, kam dann jedoch zu dem Schluss, dass sie die Sache nicht ungeschehen machte, indem sie sie ignorierte. „Danke. Für alles. Ich glaube, ich habe es dir noch nie gesagt, aber ich bin froh, dass du hier bei mir bist.“
„Keine Ursache, Natalie. Und damit du’s nur weißt, ich finde, du bist eine bewundernswerte Frau. Ich hoffe, wir können einander privat näher kennenlernen, wenn das alles hier vorbei ist.“
Natalie spürte, wie die Enge in ihrer Brust nachließ. Liz war bodenständig, klug und eine angenehme Gesellschaft. Die Vorstellung, dass sie Kontakt halten wollte, wenn keine berufliche Notwendigkeit mehr vorlag, gab ihr das Gefühl, beinahe … normal zu sein. „Gern.“ Als sie hörte, dass Liz sich entfernte, holte sie eine Banane und Joghurt aus dem Kühlschrank und nahm ihr Frühstück am Küchentresen stehend ein.
Sie bewältigte die zwanzig Schritte, die sie bis ins Wohnzimmer und zum Laufband benötigte. Eins, zwei, drei, vier fünf – die Schlafzimmertür. Sechs, sieben, acht – das Gemälde an der Wand, das sie von der Frau gekauft hatte, die mit leerem Blick ihren Kindern beim Spielen zusah. Natalie war es erst gelungen, ihr ein Lächeln zu entlocken, als sie am nächsten Tag zurückkam und ihr ein Foto von ihren Kindern schenkte. Neun, zehn, elf, zwölf, dreizehn, vierzehn, fünfzehn – Natalies Hand ruhte auf der Lehne des dunkelgrünen Chenille-Sofas mit den bunten Kissen, einschließlich dem mit dem komplizierten Würfelmuster aus goldener und roter Seide, das sie in Thailand gekauft hatte. Sechzehn, siebzehn, achtzehn, neunzehn – sie berührte den geschwungenen Arm am Laufband, den mit genopptem Plastik überzogenen Stahl, der ihr als Haltegriff diente.
Langsam beugte sie sich herab, vergewisserte sich, dass ihre Schnürsenkel gebunden waren, und trat aufs Laufband. Seit ihrem Sturz, als Mac danach ihre Tür eingeschlagen hatte, hatte sie nicht mehr trainiert. Es widerstrebte ihr, dass sie jetzt mit leisem Widerstreben auf das Laufband stieg. Am Vorabend hatte sie sich schlecht gefühlt, und dieses Gefühl hatte sich in den Morgen hinein fortgesetzt. Doch sie war entschlossen, sich nicht durch ihre Angst von geliebten Beschäftigungen abhalten zu lassen. Vom Leben, ganz gleich, wie dieses Leben beschaffen war. Sie holte tief Luft, programmierte ihre gewohnte Trainingszeit, absolvierte die fünfminütige Aufwärmphase und begann zu laufen.
Während sie trainierte, dachte sie an das ungleiche Pärchen auf dem Bauernmarkt. Sie dachte an Pete und die Worte, die er den beiden zugerufen hatte. Und sie versuchte sich zu erinnern, wieso die Körperhaltung der jungen Frau ihr als ungewöhnlich aufgefallen war …
23. KAPITEL
S hannons Gesichtsausdruck war beinahe komisch. Sie hatte ihre Augen weit aufgerissen, und ihr normalerweise glatter Teint war vor Wut rot gefleckt. „Du hast ihn dort gelassen? Damit ihn jeder verdammte Trottel finden kann? Bist du wahnsinnig? Du hast uns die Bullen auf den Hals gehetzt!“
„Was hätte ich denn tun sollen?“ Carter ärgerte sich über seinen weinerlichen Tonfall. „Der Reinigungstrupp musste jeden Moment ankommen. Außerdem wurde es landesweit in den Nachrichten gebracht, dass er der Hauptverdächtige im Mordfall Lauren – Lindsay – Monroe war. Er war das Verbindungsglied. Ich dachte mir, wenn wir diese Verbindung trennen, sind wir sicher. Du und ich. Matthew. Ich wollte uns schützen.“
„Uns schützen? Du hast uns vernichtet. Du hast nicht einmal nachgesehen, ob in seinem Wagen etwas zu finden war, was uns belasten könnte. Du Dummkopf. Du Idiot.“
In seinem Kopf setzte ein Dröhnen ein, die Wut fuhr ihm in die Knochen. „Nenn mich nicht Idiot. Ich hatte geglaubt, zwischen uns hätte sich etwas geändert.“ Er legte die Hand auf ihren Arm. Streichelte ihre Haut. Versuchte die Bindung wiederherzustellen, die entstanden war, als sie ihn verführte. Versuchte sich und sie zu beruhigen und der plötzlichen
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