Haunted (German Edition)
war. Seine Verantwortung war es, diese Wilden zu bändigen, sie zu unterrichten, sie von ihren heidnischen Wegen abzubringen. Sie waren wie Kinder und sollten wie solche bestraft werden, wie er in der Zwischenzeit gelernt hatte. Seine Strafe für Ungehorsam und Trägheit war zu brutal gewesen, und er hatte beschlossen, sich hier in San Jardine niederzulassen, um für seinen Fehler zu büßen.
Denn es war ein Fehler gewesen. Ob dieses Land wirklich böse oder verflucht oder teuflisch gewesen war oder nicht, wie die Ureinwohner behauptet hatten, war es mit Sicherheit durch das Massaker, das er bewilligt hatte, verunreinigt und verdorben worden, und war jetzt so beschädigt und entwürdigt, wie die Wilden es behauptet hatten.
Die Geister hier kamen nicht zur Ruhe.
War das seine Schuld? Vater Juarez wusste es nicht. Aber mehr als ein guter Mann war in der Blüte seines Lebens von ihnen geraubt worden, von unsichtbaren Geistern niedergestreckt worden, das Opfer eines unerklärlichen Unfalls oder einer verdächtigen unbekannten Krankheit geworden. Anfang der Woche hatte sich Bruder Ignatio, weil er nicht fähig gewesen war, mit dem Druck fertigzuwerden, den man ihm auferlegte, das Leben genommen, indem er sich in den Zisternen ertränkt hatte, sich mit Steinen und Seilen beschwerend. Vater Juarez war todunglücklich und voller Reue. Bruder Ignatio war sein bester Freund und engster Vertrauter gewesen, ein fleißiger, arbeitsamer Diener Gottes, der sich der Erleuchtung anderer verschrieben hatte. Als ein Student der Bibel und ein Schüler der katholischen Philosophen und Theologen hatte er besser als alle anderen gewusst, dass ihm die Gnade Gottes auf ewig vorenthalten bleiben würde, wenn er sich das Leben nahm. Dennoch war er durch seine eigene Hand gestorben.
Vater Juarez konnte ein solches Verhalten nicht verstehen. Es ergab keinen Sinn. Und dass so ein frommer Mann seinen Glauben so voll und ganz von sich wies, sich so schamlos und unwiderruflich seinem Gott widersetzte … Es war unbegreiflich.
Es sei denn, Bruder Ignatio hatte sich nicht umgebracht.
Diese Gerüchte hatte Vater Juarez gehört. Und deshalb hatte er Angst um sich. Es war falsch von ihm, sich damit zu beschäftigen, und blasphemisch, sich zu fürchten, wenn man in Seiner eigenen Kirche unter Gottes Schutz stand, aber sobald er sich nachts in seine Kammer zurückzog, sobald er auf seiner Pritsche lag und an die angestrichene Lehmdecke starrte, sah er Schatten, die nicht dort sein sollten, Schatten, die keinen Ursprung hatten. Gestalten dunkler als die Dunkelheit schienen im Zimmer umherzuwandern, und er würde seine Gebete laut aussprechen, um das Geflüster, das ihn rief, zu übertönen, das Geflüster, das seinen Namen kannte.
Jetzt befürchtete er, dass ihm ein ähnliches Schicksal widerfahren könnte, wenn Bruder Ignatio von Dämonen oder Geistern genötigt worden war, sich umzubringen – oder schlimmer, wenn Dämonen oder Geister ihn umgebracht hatten.
Es gab bereits Berichte, dass der Geist von Bruder Ignatio im Glockenturm und in der Bibliothek gesehen worden war, an den beiden Plätzen, die er zu Lebzeiten am meisten besuchte. Wenn es bloß die Ureinwohner gewesen wären, oder sogar die Soldaten, die davon berichtet hätten, hätte er die Behauptungen vielleicht ignoriert. Aber zwei der Mönche hatten es auch gesehen, Bruder Martin aus der Nähe, und der Mönch erinnerte sich wirklich entsetzt daran, ein Gesicht mit derartigem Zorn und Hass erfüllt erspäht zu haben, dass es die Züge zu irgendetwas Abscheulichem verzerrte.
»Bist du sicher, dass es Bruder Ignatio war?«, hakte Vater Juarez bei ihm nach.
»Ich bin mir sicher«, antwortete er. »Es konnte kein anderer sein.«
Am Sonntag leitete Vater Juarez die Messe und zum ersten Mal seit sehr langer Zeit war er sich der Tatsache akut bewusst, dass das Fundament dieses Gebäudes voller Knochen war. Die Leichen derer, die er hatte töten lassen, lagen hier unter dem Kirchenschiff, und er fragte sich nicht zum ersten Mal, ob es seine eigene unbeherrschte und törichte Entscheidung, sie dort zu bestatten, gewesen war, die das verursacht hatte.
Was dachte Gott über seine Handlungen?, fragte sich Vater Juarez. Er hatte unzählige Male für Vergebung gebetet und oft um ein Zeichen gebeten, obwohl keines geschickt worden war. Hatte man ihm vergeben? Hatte der Herr in sein Herz geschaut und die Reue dort gesehen, die Bußfertigkeit?
Vielleicht hatte sich Bruder Ignatio
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