Hauptsache, es knallt!
den Porsche Panamera herum, der zusammen mit einem derben Kastenanhänger an seinem Hinterteil in der Abenddämmerung steht und sich danach sehnt, endlich wieder in sein ruhiges Autohaus zu kommen. Oder notfalls auch auf den Schrottplatz, Hauptsache weg von hier. Die Kofferraumklappe steht offen. Ich sehe Flaschen. Viele Flaschen. Und ich sehe Leute, die kleine Gläser in der Hand halten. Und sie viel zu schnell austrinken. Und Vladimirs Freunde, die unermüdlich nachschenken. Und Regula Richter, die auf dem Schoß von Turbo-Erich laut kreischend eine Runde um den Parkplatz dreht. Und den Fotografenheini, der betrunken auf dem Autodach liegt und kichernd authentische Fotos von dem ganzen Schlamassel schießt.
Vladimir winkt uns matt zu. Er sieht ein wenig zerknirscht aus, das muss man ehrenhalber einräumen. Er weist auf die gut zwei Dutzend heiteren Gestalten um ihn herum und macht mit der anderen Hand eine entschuldigende Geste.
»Vertrage niecht viel.«
Brautobar
Nicht, dass wir es gutheißen würden, was die Russen hier veranstalten. Eine geheime Wodkaquelle auf dem Parkplatz einzurichten, da hätten sie sich doch denken können, zu was das führt. Aber wie auch immer, auf diesen Schreck hin brauchen wir alle erst einmal einen ordentlichen Schluck.
»Nasdrowje.«
»Salute.«
»Cincin.«
»Oans, zwoa, xuffa.«
»Spinner.«
» Salute ist okay, aber oans, zwoa, xuffa nicht, oder was?«
»Lass uns nicht streiten, Bülent.«
»Ihr Deutschen seid komisch.«
»Wie viel Prozent hat der Wodka, Vladimir?«
»Weiß niecht genau. Iest Hausbrand.«
Na schön.
Irgendwie hat das Ganze ja auch was. Erst Brautoentführung, dann Brautobar. Vladimir ist schon eine coole Sau. Wäre das hier nicht die Hochzeit, würden wir einfach das Autoradio aufdrehen, auf dem Parkplatz weiterfeiern und die Weckenpitz nicht einmal mehr mit dem Hintern anschauen. Aber es ist nun mal die Hochzeit. Und damit sie gut zu Ende geht, wäre es schön, wenn wir die Leute wieder ins Schloss kriegen würden. Nur wie? Man müsste den Wodka-Ausschank auf die Schlossterrasse verlegen, schießt es mir durch den Kopf. Und genau das ist keine gute Idee, schießt es sofort hinterher. Wenn auch noch der Weg zum Parkplatz wegfällt, um an Stoff zu kommen, gerät endgültig alles außer Kontrolle.
Ich lasse mir noch ein Mal, also, wirklich ein letztes Mal von Vladimir nachschenken. Während ich den Kopf in den Nacken lege, sehe ich Linda gackernd zusammen mit Maik Proschitzki an uns vorbeitaumeln und ihm den Arm um die Hüfte legen.
»Scheiße.«
Jeder von uns hat es ganz leise gesagt. Weil wir es alle gleichzeitig gesagt haben, war es dann am Ende doch ziemlich laut. Aber zurück zum Hauptproblem: Wie kriegen wir die Leute wieder ins Schloss? Wir nehmen alle noch einen allerletzten Schluck und stecken die Köpfe zusammen.
»Ich könnte einfach den Kofferraum zuschlagen und abschließen.«
»Das würdest du nicht wirklich übers Herz bringen, Tim, oder?«
»Vermutlich nicht.«
»Außerdem würde es Markus’ Vater den Rest geben, wenn jetzt auch noch der Kofferraum aufgebrochen wird.«
»Vielleicht können wir es ja auch einfach so lassen. Die Leute pendeln hin und her und haben irgendwann einen Pegel erreicht, auf dem ihre Beine sie gar nicht mehr zum Parkplatz tragen.«
»Gefällt mir zwar nicht wirklich, aber ich fürchte, du hast recht, Patrick.«
Was ich gerade vom Schloss her auf uns zuschwanken sehe, gefällt mir ebenfalls nicht. Der Große von den beiden ist ohne Zweifel Sven Wiesenhöfer. Und als sie näher dran sind, erkenne ich Schützengraben-Rigo an seiner Seite.
»Hallo. Also, wir wollten euch nur sagen, gibt jetzt gleich Essen.«
Essen. Natürlich. Warum zerbrechen wir uns eigentlich den Kopf? Kaum ist das Wort ausgesprochen, kommt Hektik auf. Alle strecken ein letztes Mal ihre Gläser in Richtung Vladimir und Freunde. Und wer ausgetrunken hat, sprintet, so schnell es sein Alkoholpegel zulässt, los. Turbo-Erich führt das Feld mit einer verwegenen Schlangenlinienfahrt an. Die anderen folgen. Mit Schrecken sehen wir, dass Linda Schnitzki loslässt und drei Schritte weiter ihren Arm um Wiese schlingt. Einerseits logisch, denn der Kerl ist im Moment deutlich stabiler auf den Beinen als sein Erzfeind, weil einige Gläser im Rückstand. Andererseits brandgefährlich. Egal ob Wiese oder Schnitzki, wenn Linda sich in einen von denen verliebt, hat sie ein Riesenproblem, und wenn die beiden sich gleich um sie kloppen, haben wir alle
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