Hauptsache, es knallt!
ein Riesenproblem. Dass sie keine Uniformen tragen, bleibt der letzte kleine Hoffnungsschimmer.
Während die Menge zur Mahlzeit stürmt und Vladimir den Kofferraum schließt, schauen wir uns noch einmal um. Nein, keine herumliegenden Schnapsleichen. Nur Svea, die ihren Brautkleidkummer gründlich im Alkohol ertränkt hat und sich auf der Motorhaube fläzt, muss etwas gestützt werden. Patrick nimmt sich ihrer an. Schützengraben-Rigo tappelt ungeduldig mit seinem Gehstock auf den Boden.
»Beeilt euch. Dann kriegt ihr noch was vom Schoßsitzen mit!«
Wir starren ihn an. Am liebsten würde ich ihn am Kragen packen und durchschütteln, aber ich beherrsche mich.
»Was ist bitte Schoßsitzen?«, presse ich heraus. Und noch bevor er antwortet, geht mir ein Licht auf, und das Herz fällt mir in die Hose. Wir sind Versager! Wir haben das Brautpaar mit Tante Otti allein gelassen!
Luftballons und
Kunstkenner
Schoßsitzen. Alles, was wir davon noch mitbekommen, ist, dass ein paar Stühle wieder an die Tische geschoben werden und dass Janina dreinguckt, als hätte man ihr einen mittelgroßen Holzhammer auf den Kopf gehauen. Jil hat aber alles mitbekommen. Zum Glück hat sie gerade Pause. Frau von Weckenpitz, ihre neue Lehrmeisterin, musste sich kurz in die Toilettengemächer zurückziehen. Wir fühlen uns klein, elend und schuldig. Und mit jedem Wort von Jils Bericht wird es noch schlimmer. Während wir kopflos auf den Parkplatz gestürmt sind, hat Tante Otti sieben Stühle in einer Reihe aufgestellt. Anschließend hat sie mit großem Hallo Janina die Augen verbunden und auf die sieben Stühle sieben Männer gesetzt. Und Janina musste unter noch größerem Hallo auf den sieben Schößen Platz nehmen und blind sagen, welcher davon zu ihrem Bräutigam gehört. Und, ganz besonders lustig, Markus war gar nicht unter den sieben Männern. Haha. Nach ein paar Gläschen Wodka hat Tante Otti anscheinend noch pfiffigere Ideen als sonst.
Um uns herum nehmen die Leute an den Tischen Platz. Nur Großtante Gerlinde steht mit ihrem immer noch entblößten Hinterteil vor Tante Otti und erklärt, dass sie frivole Hochzeitsspiele nicht so gut findet. Wir verharren in unserer Ecke und gucken wie begossene Pudel, während die Kellner mit den ersten Suppentellern herumhuschen. Ich traue mich kaum, in Janinas Richtung zu schauen, tue es aber am Ende doch. Sie lächelt mir zu. Das schlimmste Lächeln, das ich je von ihr gesehen habe. Ich taste nach dem Tortenmesser in meinem Gürtel. Wenn das verdammte Ding nur etwas helfen würde.
»Aber warum hat Frau von Weckenpitz einfach so zugeguckt, Jil? Eine solche Darbietung muss ihr doch gehörig gegen den Etepetete-Strich gegangen sein, will ich meinen.«
»Sie hat mir gesagt, dass sie dieses Fest schon längst aufgegeben hat, Patrick. Sie will es nur noch zusammen mit mir vom Rand beobachten. Als Anschauungsmaterial für mich, wie man sich nicht benimmt.«
Zum Heulen. Jetzt ist der fürchterliche Schlossdrachen also dank Jil ganz elegant aus dem Spiel geschlenzt, aber was hilft das, wenn die, die das Spiel nun an sich reißen, auf andere Art genauso grausam sind? Henriette legt den Arm um Bülents und meine Schulter. Wir schließen spontan einen Kreis, wie eine Fußballmannschaft vor dem Anpfiff. Sie schaut jedem von uns in die Augen.
»So ein Fehler darf uns nie wieder passieren.«
Und sie klingt wieder wie ein Feuerwehrhauptmann. Aber diesmal wie einer, der wild entschlossen ist, seine verlorene Ehre wiederherzustellen. Das gibt uns genügend Kraft für die Vorspeise. Jeder geht an seinen Platz. Als ich mich hinsetze, begrüßt mich Tischgenosse Füllkrug aus vollem Hals.
»Na, endlich e paar Weiber klargemacht mit deinem Piratenstirnband?«
Ich schaufele mir noch im Stehen den Mund voll Suppe, um nicht antworten zu müssen. Ganz köstliche Apfel-Möhren-Irgendwassuppe. Nur ein bisschen heiß. Wäre gut gewesen, wenn ich vorher noch hätte pusten können, so wie Vladimir, der jetzt auf dem Platz neben mir sitzt.
»Waißt du, iech fiende, iest niecht so schliem, dass wier keine Brautentführung gemacht habe. Brautoentführung war viel luustiger.«
»Na also.«
»Aber iech mache mir Sorge. Ein Gewietter wierd komme. Ein starke Gewietter. Iech chabe siebte Sienn fier Wetter.«
»Kein Problem. Hier drin sind wir in Sicherheit.«
Nur der Zugang zu deinem Wodka-Hausbrand wird dann schwieriger, wenn es draußen schüttet. Du machst dir doch nur deshalb Sorgen, Vladimir. Obwohl ich sagen muss,
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