Hauptsache, es knallt!
Bräutigam, und eure Hochzeitsfeier auf dem wunderschönen Schloss Walchenau war bisher, trotz eines verschwundenen Brautautos, einer keifenden Frau von Weckenpitz, einer plötzlich aufgetauchten zweiten Braut, Schoßsitzens und manch anderer Unbill halbwegs gelungen. Und jetzt wird plötzlich, zwischen Vorspeise und Hauptgericht, von euch verlangt, dass ihr euch Bademützen aufsetzen sollt. Ja, Bademützen. Kunstvolle Frisuren hin, menschliche Würde her, Tante Otti findet, dass ihr euch Bademützen aufsetzen sollt. Aber es hat natürlich alles seinen Grund. Tante Ottis Bademützen haben nämlich eine Nadel obendrauf. Und wenn man mit der Nadelbademütze unter den Ballons steht, die sie aufgehängt hat, und hochhüpft, dann, schon klar, platzen die Ballons. Und in jedem ist ein kleines Geschenk für das Bademützen-Brautpaar drin. Und um die Sache abzurunden, wird nicht einfach so gehüpft, sondern zu Musik. Genauer gesagt zu »Ein bisschen Spaß muss sein« von Roberto Blanco.
So ist die Lage. Markus versucht zu lächeln, während Janinas Gesicht mehr und mehr zu Stein wird. Am liebsten würde ich laut schreien. Nichte Sinja, ein paar Plätze neben mir, guckt sich das schlimme Schauspiel gar nicht erst an. Sie konzentriert sich lieber darauf, aus ihrer Serviette einen Schwan oder so etwas Ähnliches zu falten. Ich schaue zu Patrick am Klugscheißertisch, er schaut entsetzt zurück. Wir schauen zusammen zu Bülent, er schaut auch entsetzt zurück. Wir drei schauen zu Henriette. Unsere letzte Hoffnung. Nein, sie hat auch keinen Trumpf in der Hinterhand. Sie schaut ebenfalls einfach nur entsetzt zurück. Und verbiegt dabei, ohne es zu merken, die Gabel in ihren Händen. Es ist zum Kotzen. Wir können nichts tun.
Zu allem Überfluss kriege ich auch noch die ganze Zeit weiter Dauerfeuer von der verhassten Stimme hinter mir.
»Nun sehen Sie sich das nur an, Kindchen. Dazu fällt mir doch einfach nichts mehr ein. Bademützen. Was sagen Sie, sind das überhaupt noch Menschen?«
»Ja, Frau von Weckenpitz.«
»Wie sind Sie nur an diese Leute geraten? Ich empfehle Ihnen dringend, suchen Sie sich andere Freunde. In unserer Gesellschaft hat jeder eine Chance. Aber ein bisschen Haltung, ein bisschen Wille und das richtige Umfeld, das muss schon da sein.«
»Ja, Frau von Weckenpitz.«
»Heute haben wir allerdings auch wirklich einen ganz schlimmen Tag erwischt, Kindchen. Hier unten ist diese Schmutzfeier, und oben sitzt diese schreckliche entführte Braut auf ihrem Zimmer. Ihr Bräutigam ist immer noch nicht aufgetaucht. Bestimmt schon zu betrunken. Oder vielleicht will er dieses Monstrum von Braut auch gar nicht finden, ich könnte es ihm nicht verdenken. Kommen Sie doch nächstes Wochenende vorbei, Kindchen. Da ist die Hochzeit von Dominik von der Blagen, dem Sohn des Präsidenten des Golfclubs Walchenau. Ich weise Sie ein, dann können Sie ein wenig mithelfen und zuschauen, wie Leute mit Klasse feiern.«
Die ersten drei Ballons sind inzwischen geplatzt. Eine Krawatte, ein paar Geldscheine und ein Stringtanga sind auf die Häupter von Janina und Markus gesegelt. Noch drei weitere Knalls, dann ist es überstanden. Hoffentlich rechtzeitig, bevor »Ein bisschen Spaß muss sein« zu Ende ist. Ich will gar nicht wissen, was die CD von Tante Otti noch alles ausspuckt. Markus zieht die Leine, an der die Ballons hängen, etwas herunter, damit Janina mit ihrer Nadelmütze überhaupt heranreicht. Was wird diesmal drin sein? Eine Plastikrose? Ein Wackeldackel? Ein gehäkeltes Präservativ? Was bin ich froh, dass wir inzwischen wenigstens für den Bananentanz einen Abwehrplan in der Tasche haben.
Der rote Ballon gibt nun endlich den Geist auf. Eine riesige Ladung Mehl segelt auf Janina herab. Sehr komisch. Sie friert mitten in der Bewegung ein. Markus eilt dazu und versucht zu retten, was zu retten ist. Diethart Füllkrug guckt Tante Otti ehrfürchtig an und klatscht Applaus. Die anderen sind geteilter Meinung. Einige schauen entsetzt, andere lachen kurz und schrill, wieder andere lang und ausdauernd. Nur eine lacht schrill und lang und ausdauernd. Und so laut, dass sie damit sogar Roberto Blanco übertönt.
»Hahaha! Entschuldigung, Kindchen, aber das finde ich jetzt wirklich lustig. Hahaha!«
Blöde Schnepfe!
Aber soll keiner sagen, dass Tante Otti nicht weiß, wann es genug ist. Sie erlässt dem Brautpaar jetzt gnädig die letzten beiden Ballons und zersticht sie selbst. Zum Vorschein kommen ein Schwall Wasser und,
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