Hauptsache, es knallt!
der Donner hat sie so erschreckt, dass sie nicht mehr groß nachgedacht haben. Beide sind kreidebleich und pitschnass. Und es ist nur natürlich, dass etwa fünf Leute gleichzeitig aufstehen, um den beiden armen Gestalten erst einmal ein Glas aus der Kiste, die sie mitgebracht haben, einzuschenken.
Linda ist auch dabei. Nicht gut. Erstens trinkt sie gleich mit, zweitens macht der arme triefende Wiese diesen ganz besonders hilfsbedürftigen Eindruck, der ungeheuer gefährlich für Frauenherzen ist. Muss man nur mal dran denken, wie die Eltern von Marty McFly in »Zurück in die Zukunft« zusammenkamen und so.
»Da können Sie mich jetzt für verrückt erklären, Kindchen, aber ich sage, das mit dem Unwetter ist kein Zufall. Diese Hochzeit hat es einfach nicht anders verdient. Mir tun nur die armen Zwergpetunien im Schlosspark leid. Haben Sie die gesehen? Importware. Sehr empfindlich.«
»Ja, Frau von Weckenpitz.«
»Herr Unzicker, Herr Unzicker! Machen Sie bitte sofort einen Rundgang und sehen Sie nach, ob alle Fenster zu sind.«
»Machich.«
»Wissen Sie, Kindchen, Herr Unzicker ist ein ziemlich einfach gestrickter Mann. Aber er ist zuverlässig und diskutiert nicht. Das haben sie gelernt, früher in der DDR. Da hat Herr Unzicker … egal. Jedenfalls, so jemanden braucht man an der Seite, wenn man große Aufgaben hat.«
»Ja, Frau von Weckenpitz.«
Wenn die Schlosstrulla jetzt nicht bald die Klappe hält und Jil gehen lässt …
»Hey, Pirat. Dat Essen wird kalt.«
Ja. Da hat Füllkrug recht. Mein Rochenflügel hat schon ein wenig Patina. Aber Piraten essen nicht, wenn es Zeit ist zu kämpfen. Und ich spüre, jetzt ist es Zeit zu kämpfen. Für Jil. Höchste Zeit. Langsam, aber unaufhaltsam beginnt vor meinem inneren Auge ein Schlachtplan aus dem Nebel heraus aufzutauchen. Ich lehne mich zu Vladimir hinüber und raune ihm ein paar Worte zu. Erst hält er mich für bekloppt, aber ich sage einfach die Zauberworte »alter deutscher Hochzeitsbrauch«, und sofort habe ich ihn im Boot. Er steht ganz beiläufig auf und schlendert zur Wodka-Ausgabestelle. Dort haben sich inzwischen die beiden durchnässten Gestalten Wiese und Regula ausgiebig gestärkt. Nun kommt die nächstwichtigste Aufgabe für sie: trockene Sachen finden. Ich stelle mir kichernd vor, dass sich Regula Richter einfach das Ersatzbrautkleid anzieht. Hätte doch was. Dann wäre die gute Sinja beruhigt, weil endlich drei Bräute im Haus herumlungerten. Aber das gute Stück ist ja leider verschwunden. Macht nichts.
Linda hat sich Herrn Unzicker geschnappt, der gerade auf seiner Kontrollrunde des Wegs kam. Keine Ahnung, wie er normalerweise auf die Bitte nach einer Notausstattung für durchnässte Gäste reagiert, aber Lindas Lächeln kann nur ein Stein widerstehen. Ich höre, dass er »Ich schau mal nach. Wir haben da noch ein paar alte Faschingskostüme« zu den beiden nassen Ratten sagt.
Das kann ja was werden. Aber egal, jetzt volle Konzentration auf meinen Plan. Er ist nicht ohne Tücken. Soll ich die anderen noch einweihen? Nein, sie können mir nicht helfen. Entweder es klappt, oder es klappt nicht. Ich stehe auf und verziehe mich in die Toilette. Vor dem Spiegel knöpfe ich mir mein Hemd wieder zu und stecke es in die Hose. Messer und Gabeln verschwinden aus meinem Gürtel, und der Schlips kommt auch wieder dorthin, wo er heute Vormittag war. Die Haare noch ein wenig gerichtet. Fein.
Ich bin nicht mehr Captain Timmi, der lustige Hochzeitspirat. Ich bin Tim, der Hochzeitsninja. Eine perfekt getarnte Bestie, die alle vernichtet, die Janina den schönsten Tag ihres Lebens versauen und Jil »Kindchen« nennen.
Rsmbokwja kchrk
Ich schlendere durch den Grünen Saal und lächele nach rechts und links. Ganz Lebemann, ganz Weltbürger, der ganze Mist, der man nicht ist, wenn man sein Leben in Salzminden verbracht hat. Ohne Hast nähere ich mich Frau von Weckenpitz, die an ihrem kleinen Stehtisch weiter auf Jil einredet. Wenn ich es richtig verstehe, geht es gerade um gute Weine und wie man sie am besten vor unwürdigen Gästen versteckt. Nicht mehr lange.
»Pardon, Madame? Graf Grinzki-Schrottkaroff hat mich gebeten, dass ich Sie ihm vorstelle.«
Sie dreht sich um. Ein schiefer Blick. Ja, sie weiß noch ganz genau, wer ich bin. Ein »Sie wollen mich wohl veralbern?« drängt sich unaufhaltsam auf ihre Lippen. Aber ich blicke weiter seriös drein und biete ihr galant den Arm an, genau wie es die Trottel in »Stolz und Großkopfheil«, oder wie
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