Hauptsache, es knallt!
nächsten Raketen zischen. Ich zwinge mich, nicht hochzusehen, auch wenn die anderen noch so sehr »Aaah!« und »Oooh!« machen. Ich muss Jil und Henriette von ihren blöden Plänen abbringen.
»… und ja, wie gesagt, ihr seid total besoffen und wisst doch gar nicht mehr, was ihr tut. Wollt ihr wirklich wegen einer Suffidee eure Jobs verlieren?«
»Ja, wollen wir!«
»Wird sowieso höchste Zeit!«
»Das ist der perfekt Abend dafür!«
»Ich freu mich schon richtig!«
Dass die beiden gekündigt werden könnten, ist natürlich gar nicht mein Hauptproblem. Mein Hauptproblem ist und bleibt, dass Janina und Markus jetzt keinen noch so schönen Abschluss brauchen, sondern einfach Zeit zum Beichten und Reden. Und dass sie deswegen möglichst schnell nach Hause geschafft werden müssen. Und am entgegengesetzten Ende meines Kopfs meldet sich noch ein zweites Hauptproblem: Wenn ich durchsetze, dass Janina und Markus nach Hause fahren, statt mit großem Hallo das Maribu-Hotel zu entern, hasst Jil mich endgültig. Klar, ich würde schon wieder ihre Idee kaputtmachen. Wenn ich nur nicht so gut wüsste, dass meine Idee diesmal wirklich besser ist. Und wenn ich nur verraten könnte, warum. Aber es bleibt dabei, Janinas Paderborn-Fehltritt geht keinen etwas an. Ich stecke gerade im übelsten Dilemma seit Humphrey Bogart in der Schlussszene von »Casablanca«.
Und es gibt keine Hoffnung. Die beiden Damen neben mir schauen sich weiter gegenseitig an wie Bonnie und Clyde beim Planen eines gigantischen Raubzugs. Das Funkeln in ihren Augen wird immer wilder. Es wäre so einfach für mich. Ich müsste nur »Juchu! Auf ins Maribu!« schreien. Aber ich kann nicht. Wenn Janinas und Markus’ Liebe einen Sprung kriegt, nur weil wir ihnen im wichtigsten Moment ihres Lebens keine Zeit gegeben haben, miteinander zu reden, würde ich mir das für immer vorwerfen. Die Würfel sind gefallen. Seufzend lege ich mir meine Worte zurecht. Wenn schon auf Jil verzichten, dann mit Größe. So wie Bogart. Oder wenigstens so ähnlich. Ich werde mich an die Schlussszene von Casablanca halten.
Jil, wenn dieser Wagen nicht gleich nach Salzminden abhebt und Markus und Janina nicht an Bord sind, werden wir es bereuen. Vielleicht nicht jetzt, vielleicht nicht morgen, aber eines Tages … Mist, passt nicht wirklich. Was kam danach? Ach ja: Uns bleibt immer Paris … Nein, auch nicht. Jil und mir bleibt nicht Paris, uns bleiben nur ein paar Minuten auf dem Flur des Salzmindener Standesamts. Nicht so wichtig. Jetzt kommt nämlich die Superhammerpassage: Jil, die Probleme von zwei kleinen Menschen, die sich gerade zufällig verliebt haben, sind im Vergleich zum großen Glück von Janina und Markus kaum mehr als, hm, wie war das noch mal im Film? Ein Häuflein Bohnen? Mist, ich kenne nur die englische Version. A hill of beans , doch, das hat er gesagt … Taugt schon wieder nichts, aber egal, ich komme zum entscheidenden Punkt: Ich seh dir in die Augen, Kleines … auch wenn das vielleicht ein bisschen dick aufgetragen ist. Nein, ich muss das alles ganz anders aufziehen …
»Aaaaaaaah!«
Nashashuk und Sinja tragen gerade auch ganz schön dick auf mit ihrem Feuerwerk. Selbst Markus hat mit dem Schluchzen aufgehört. Findet er das Feuerwerk auch so schön, oder hat er Angst? Sehe ich da ein leichtes Zittern? Egal. Jetzt. Jetzt, oder nie. Ich richte mich zu voller Größe auf und sage in einem Ton, der so miesepetrig ist, dass er selbst Diethart Füllkrug für drei Sekunden die Feierstimmung ausgetrieben hätte: »Hört mal zu, ihr beiden, das mit dem Hotel ist totaler Quatsch. Markus und Janina müssen nach Hause. Alleine. Ich entscheide das jetzt einfach.«
»Du bist ein totaler Schisser, Tim! Hat dir das eigentlich schon mal einer gesagt?«
Jedes Wort von Jil schneidet mir ins Herz wie ein frisch geschliffenes Hundert-Euro-Küchenmesser. Jetzt fange ich doch an, Bogart zu beneiden. Den hat Ingrid Bergman, wenigstens mit Sehnsuchtstränen in den Augen verabschiedet.
»Nein, Jil, Tim ist kein Schisser. Denk lieber daran, was der heute schon alles durchgemacht hat. Und Tim, du wirst sehen, das wird großartig im Maribu! Du kriegst einen schönen Platz auf der Couch. Eisbeutel für deine Wehwehchen haben wir auch da.«
»Dann rufst du jetzt die Leute zusammen, Henriette?«
»Ja.«
Nein! Völlig falscher Film! Das ist ja, als wäre Ingrid Bergman, mit Major Strasser ins Flugzeug gestiegen, und Bogart würde zusammen mit Victor László
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