Hauptsache Hochzeit
Jessica. Betrachte es als mein Hochzeitsgeschenk. Als kleinen Beitrag zu deinem Glück.«
»Kleinen Beitrag?« Ich schluckte schwer. »Aber du hast Chester in dem Glauben gelassen … Er war verliebt in dich. Und er ist es übrigens immer noch.«
Sie nickte traurig. »Es tut mir wirklich sehr leid wegen Chester. Aber er wird schon jemand anderes finden, da bin ich mir ganz sicher.«
»Und du? Was ist mit dir?«
»Ich komm schon durch.« Sie lächelte. »Ich werde das tun, was ich am besten kann.«
»Indem du wegläufst? Das geht nicht, Mam. Das ist nicht gut.«
»Ich fange noch mal ganz von vorne an«, betonte sie. »Aber diesmal kann ich es mit gutem Gefühl tun, Jess. Weil ich mich gut fühle. Zum ersten Mal in meinem
Leben habe ich das Gefühl, ein guter und wertvoller Mensch zu sein. Lass mir dieses Gefühl. Bitte.«
Sie sah mich ernsthaft an, und ich blickte zu Boden.
»Ich versteh das alles nicht«, sagte ich. »Du tust das für mich, aber als ich mit dir ausgehen wollte, damals nach dem Sanctuary, hast du Chester vorgezogen. Und als er Max vorwarf, die undichte Stelle gewesen zu sein, hast du dich wieder für Chester entschieden. Wie kommt’s auf einmal, dass du dich jetzt für mich entscheidest?«
Sie biss sich auf die Lippe. »Ich bin charakterschwach, Jess. War ich schon immer und werde ich auch immer sein. Ich habe schon früh gemerkt, dass ich Männer ziemlich leicht dazu kriegen kann, das zu tun, was ich will. Aber damit hat es sich auch schon. Ich will nicht behaupten, dass das keine nützliche Eigenschaft ist – damit habe ich mich bislang ganz gut durchs Leben geschlagen -, aber wenn man weiß, dass man immer von anderen abhängig ist … dass man nichts zu bieten hat … ich habe dir eben nichts zu bieten, Jess. Eine Wohnung, bei der ich die Miete ständig zu spät bezahlt habe. Eine unechte Hermès-Handtasche.«
»Unecht?« Ich starrte sie verblüfft an. »Ich dachte, du hättest die geschenkt bekommen.«
»Ja, ich hatte eine echte geschenkt bekommen, aber die musste ich verpfänden.« Sie lächelte traurig. »Die unechte hab ich mir gekauft, um mich aufzuheitern.«
»Und deshalb hast du dir Chester ausgesucht …«
»Um mir endlich mal was aufzubauen«, sagte sie und bekam wieder feuchte Augen. »Das ist dumm, ich weiß. Ich hätte meine Lektion eigentlich gelernt haben sollen. Aber das ist eben mein Problem, Jess. Ich bin nicht lernfähig. Ich lerne nichts dazu.«
»Wie Ivana sagte«, murmelte ich.
»Wie war das, Schatz?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nichts. Nur… das ist alles nicht wahr, Mam. Du bist ein guter Mensch, nicht nur eine Frau, die auf Männer wirkt. Und du bist meine Mutter. Eine gute Mutter.«
»Ach, nein«, erwiderte sie. »Aber trotzdem vielen Dank. Es ist lieb von dir, das zu sagen.«
»Das ist mein voller Ernst«, sagte ich leise. »Weißt du, als ich dich kennen gelernt habe, dachte ich zuerst, ich hätte keinerlei Ähnlichkeit mit dir. Und ich wollte dir auch gar nicht ähnlich sein. Aber jetzt hoffe ich sogar, dass ich es bin. Ich hoffe, dass ich so entschlossen und so stark bin wie du. Ich wäre stolz darauf, wenn Leute Ähnlichkeiten zwischen uns erkennen würden.«
Sie lächelte. »Ach, das meinst du nicht wirklich.«
»O doch«, bekräftigte ich mit einem Nicken. »Alle finden dich wunderbar. Caroline hast du zu einer selbstbewussten Frau gemacht. Helen hat endlich ihr Verhältnis mit Mick geklärt, und die beiden ziehen jetzt zusammen. Und Ivana … Ivana bekommt ein Baby. Das ist doch unglaublich, oder? Und alles wegen dir.«
»Das kann ich mir kaum vorstellen«, meinte meine Mutter verlegen. »Aber ich freue mich über die guten Neuigkeiten von Ivana, Helen und Caroline. Caroline solltest du unbedingt behalten. Sie ist sehr begabt.«
»Ich weiß.« Ich holte tief Luft. »Sagst du mir jetzt, ob du nach Spanien oder nach Amerika gehst?«
Meine Mutter blickte mich fragend an. »Spanien oder Amerika? Was meinst du damit?«
»Dein Nachbar«, antwortete ich. »Er sagte, du würdest nach Spanien oder nach Amerika gehen.«
»Im Ernst?« Sie lachte. »Ich hatte ihn gebeten, niemandem mein Reiseziel zu verraten«, sagte sie dann verschmitzt, »aber ich hatte nicht erwartet, dass er so dreist lügen würde. Und das noch meiner eigenen Tochter gegenüber.«
»Also willst du da gar nicht hin?«
»Nein, Schatz. Ich fahre nach Slough.«
»Slough?« Ich zog irritiert die Nase kraus. »Aber wir fahren doch nach …«
»Nach Heathrow«, fiel sie mir ins
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