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Hauptsache nichts mit Menschen (German Edition)

Hauptsache nichts mit Menschen (German Edition)

Titel: Hauptsache nichts mit Menschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Bokowski
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Übrigens fällt mir gerade auf, dass das Wort »Organe« ein Anagramm zu »Orange« ist. Das passt in diesem Fall ja auch, ganz hervorragend sogar. Also noch mal: Es ist nämlich so, dass nicht Platz der eigentliche Luxus des Lebens ist, sondern Ruhe. Da kann ich auch gern darüber hinwegriechen, dass es in meinem Flur immer nach vergorenen Orangen müffelt. Ob Herr Caycig wirklich allein dafür verantwortlich gemacht werden kann, bezweifle ich allerdings. Sind ja alle nicht so sauber bei mir in der Lüderitzstraße und knusper schon gar nicht.
    Gerne zeige ich Besuchern meines Hauses zum Beispiel die Matratze von Frau Bölke. Dazu brauche ich nicht mal einen Zweitschlüssel, denn die Matratze steht ja jeden Tag im Flur. »Boah! Wer stellt denn seine vergammelte Matratze hier in den Flur? Habt ihr keine Mülltonnen, ihr Schweine?« – »Das ist kein Müll«, sage ich. »Die steht hier nur zum Lüften.«
    Herr Caycig und Frau Bölke nehmen sich nicht viel, was den Geruch angeht. Das war zu Caycigs Lebzeiten noch anders. Immer wieder rümpfte er die Nase über das sonderbare Nachtlager seiner Nachbarin von unten und jeden Abend, wenn im Flur das Licht anging und ein leises schabendes Geräusch zu hören war, als zerre jemand einen Sack Reis über eine mit Vogelsand bestreute Türschwelle, kam auch Herr Caycig aus seiner Wohnung und brüllte Sachen wie: »Kauf dir mal ein neues Bett, du alte Fotze.«
    Nicht immer war Herr Caycig derart herb und vulgär in seiner Ausdrucksweise. Als ich eines Nachmittags zu meiner Wohnung hinaufstieg, fand ich einen Zettel an Frau Nachbarins Matratze geheftet: »Das regelmäßige Benutzen von Seife kann zu gelegentlichem Geschlechtsverkehr führen« stand auf dem Zettel. Ich war beeindruckt. Erst einige Tage später kam mir in den Sinn, dass diese subtile Kritik an Frau Bölkes Körper- und Haushygiene vielleicht eine noch viel subtilere sexuelle Anmache gewesen sein konnte. »Waschen Sie sich endlich, und wir ficken ein bisschen. Mit freundlichen Grüßen, Ihr Nachbar.« Sollte Herr Caycig etwa eine geheime Obsession für Frau Stinkerchen gehegt haben? Hatten die unsichtbaren Ausdünstungen der von Schweiß, Speichel, Milbenkot und Menschenurin durchtränkten Matratze über all die Wochen und Monate seine Sinne umsalbt, sich wie ranziger Bratfettdunst über seine Geruchsrezeptoren gelegt, und waren die nächtlichen Schimpftiraden nur ein schmerzlicher Ausdruck zwischen einer quälenden Erregung seiner Sinne und der beißenden Frustration eines kontrollierten Verstandes? »Oh meine liebe Frau Bölke. Leben wir nicht in zwei unterschiedlichen Welten, du und ich, die uns Liebende so schmerzlich voneinander trennen? Wie Pyramus und Thisbe, Romeo und Julia, Polen und der Rest Europas? Zwei Welten, die unterschiedlicher nicht sein könnten? Ich in einer Welt der Hygiene und du nur in deiner Wohnung?«
    Soweit ich das nachvollziehen kann, ist es nie zu einem Stelldichein gekommen. Frau Bölke lässt ihre Körperflüssigkeiten wie eh und je in ihre Gefahrengutmatratze sickern, während Herr Caycig tot in seiner Wohnung liegt und in aller seelenlosen Ruhe seinen Fußboden imprägniert. Wie gesagt: Seit einem halben Jahr geht das so und während die optische Erinnerung an Herrn Caycig langsam in mir verblasst, man könnte auch sagen, mehr und mehr durch eine olfaktorische Erinnerung ersetzt wird, will mir sein Matratzenkommentar nicht mehr aus dem Kopf gehen. »Das regelmäßige Benutzen von Seife kann zu gelegentlichem Geschlechtsverkehr führen.« War es wirklich so einfach? Seit zehn Jahren lebe ich im Wedding und seit zehn Jahren versuche ich, das Wesen dieses Stadtteils in seiner Essenz in mich aufzunehmen. »Das regelmäßige Benutzen von Seife.« … Genau so war es. Wer sich gewaschen hat, darf Liebe machen. Wenn Berlin »arm, aber sexy« war, dann war der Wedding »schmutzig, aber ungefickt«. Ich wollte es von den Dächern schreien: »Wer sauber ist im Schritt, der darf ihn auch benutzen.« Am Leopoldplatz, beim Burger-King, würde ich einem der weiblichen Alkis meinen Arm um die Schultern legen und sagen: »So muss eine Achsel riechen, dann klappt’s auch mit dem Nachbarn.« Ich würde Flugzettel über Intimhygiene im Lidl verteilen, Deopröbchen im türkischen Supermarkt und aus jedem Leergutautomaten kämen keine Pfandbons mehr, sondern Gutscheine für Zahnpasta und Seife, und wenn einer kommt und mich schlagen will, dann sage ich: »Nein, nein, mein Lieber. Ich wohne hier. Ich

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