Hauptsache nichts mit Menschen (German Edition)
finde das schon ziemlich individuell.
Ich
Aber er macht Sachen!
Karsten
Was für Sachen?
Ich
Er läuft komisch und bohrt in der Nase und duscht.
Karsten
Na und? Das machst du doch auch.
Ich
Ja. Aber ich weiß, wann ich es tue. Mit ihm ist das ein bisschen anders. Glaubst du wirklich, dass ich mich an jedes Mal erinnern kann, wann ich in den letzten zehn Jahren gepopelt oder geduscht habe? Ich kann mich nicht mal daran erinnern, wann ich das letzte Mal geduscht habe. Nebenbei bemerkt: Sind wir eigentlich Freunde?
Karsten
Was soll das denn jetzt?
Ich
Ob wir Freunde sind, möchte ich wissen.
Karsten
Was ist denn los?
Ich
Was los ist? Ich habe meinem eigenen Schatten beim Duschen zugesehen. Du hättest mir in all den Jahren ruhig mal sagen können, dass ich nackt total scheiße aussehe.
Karsten
Wie bitte?
Ich
Wir sind doch befreundet! Da muss man sich so etwas doch sagen können!
Karsten
Hallo!? Geht’s noch?
Ich
Sag, wie lange kennen wir uns?
Karsten
15 Jahre.
Ich
15 Jahre! Ist da ein kleines »Paul, du siehst übrigens nackt total scheiße aus« wirklich zu viel verlangt?
Karsten
Woher soll ich denn bitte wissen, wie du nackt aussiehst?
Ich
Du hast mich doch ständig nackt gesehen!
Karsten
Ständig?
Ich
Ständig! Nach dem Schulsport, in Portugal, am Plötzensee. Oder im Mai, mit Anke in der finnischen Sauna.
Karsten
Da habe ich dich überhaupt nicht nackt gesehen.
Ich
Natürlich hast du.
Karsten
Nein! Habe ich nicht! Ich habe sehr angestrengt versucht, nicht hinzuschauen.
Ich
Warum das denn?
Karsten
Weil ich einen meiner besten Freunde nun mal nicht nackt sehen möchte.
Ich
Bitte?
Karsten
Mir hat es schon gereicht, dass Anke ständig davon angefangen hat.
Ich
Was?
Karsten
Immer hat sie nur von dir in der finnischen Sauna erzählt.
Ich
Echt? Hat sie?
Karsten
Ja! Ständig! Und immer wieder. Das ging bestimmt vier Wochen so.
Ich
Was hat Anke denn erzählt?
Karsten
Wie unglaublich scheiße du nackt aussiehst.
Ich
Warum hast du mich nie zum Sport geschickt!
Karsten
Du kannst doch immer noch zum Sport gehen.
Ich
Ach Unsinn! Das ist wie Klavierspielen. Damit muss man früh genug anfangen, sonst wird das nichts! Irgendwann sind die Finger steif, dann ist es eh zu spät.
Karsten
Apropos steif. Was genau machst du da gerade?
Ich
Bitte?
Karsten
Dein Schatten, meine ich.
Ich
Ach, verdammt! Nicht schon wieder!
Karsten
Masturbierst du?
Ich
Bitte! Versuch ihn einfach zu ignorieren.
Karsten
Aber du bist doch noch nicht mal aufgestanden.
Ich
Wahrscheinlich bin ich da noch gar nicht richtig wach.
… Könntest du bitte aufhören, da so hinzustarren?
Karsten
Bist du nicht Rechtshänder?
Ich
Oh, Gott. Wie soll ich bloß noch ein normales Leben führen, wenn mein Schatten alle vier bis sechs Stunden anfängt, an sich rumzuspielen?
Karsten
Alle vier bis sechs Stunden!?
Ich
Ich war 19! Ich hatte fettige Haut, einen Computer und weder Freunde noch Hobbys. Was hätte ich denn machen sollen!?
Karsten
Alle vier bis sechs Stunden?
Ich
Jetzt sag mir bitte was Beruhigendes.
Karsten
Würde es dich beruhigen, wenn ich dir sage, dass wir das alle gemacht haben.
Ich
Ja, das würde es.
Karsten
Wir haben das alle gemacht damals.
Ich
Wirklich?
Karsten
Nö. Ich hatte ja schon Anke.
Ich
Ich hasse dich.
Karsten
Glaub mir, du hast andere Sorgen im Moment.
… Was wird denn das jetzt?
Ich
Was?
Karsten
Leckst du dich da gerade?
Ich
Was!?
Karsten
Es sieht ein bisschen aus, als würdest du dir an der Schulter lecken?
Ich
Ich lecke mir nicht an der Schulter!
Karsten
Doch. Du leckst dir an der Schulter.
Ich
Na gut, ich lecke mir an der Schulter! Na und!? Ich hab eben eine sehr sensible Stelle. Jetzt hör verdammt noch mal auf, da so hinzustarren!
Karsten
Wenn ich das Anke erzähle!
Ich
So! Das reicht jetzt. Die Vorstellung ist vorbei.
Karsten
Was soll das denn!? Könntest du bitte das Licht wieder anmachen?
Ich
Nein.
Karsten
Doch!
Ich
Nein.
Karsten
Ist doch albern jetzt!
Ich
Nein.
Karsten
Wieso denn?
Ich
Weil ich nicht will, dass einer meiner besten Freunde meinem Schatten beim Ejakulieren zuschaut!
Karsten
Jetzt mach das Licht wieder an! Wir verpassen doch alles!
Ich
Nein.
Karsten
Man hört ja nicht mal was.
Ich
Das wär ja noch schöner.
Karsten
Ein bisschen unbefriedigend das Ganze.
Ich
Unbefriedigend?
Karsten
Ja.
Ich
Wieso denn »unbefriedigend«!?
Karsten
Na, so halt! Was machen wir denn jetzt?
Ich
Keine Ahnung.
Karsten
Immerhin einer von uns dreien hat grad’ seinen Spaß.
Ich
Sehr witzig. Karsten, du bist der Arzt von uns beiden. Du musst doch wissen, was
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