Haus aus Erde
der Regen der schlammigen Plains.
Ein Geräusch kam. Ein Geräusch von allen Seiten des Zimmers. Ein Geräusch von unter dem Bett, aus dem Wandschrank, von der Treppe, selbst von seinem Schlafplatz, aus den Sahnekannen, den Scheiben der Zentrifuge, dem Tischtuch, der Lampenkugel. Das Geräusch kam durch die Luft, mit den Geräuschen des Nachtwinds draußen, dem Knacken von Eis und Schnee, dem Knirschen von verharschten Graupeln, hartgefrorenem Schnee – ein Schrei. Es war ein vom Wind herbeigetragenes unregelmäßiges, zerklüftetes, rasselndes Gebrüll. Es war eine Frau, die in Wasser ertrinkt, ein Mann, der in heißem Öl ertrinkt. Ein Hund, der bei einem Bergrutsch vom Caprock stürzt. Eine Truthennenmutter, die kreischend drei ihrer von Lastwagenrädern erfassten Küken beklagt. Das letzte Todesröcheln, das einzige Geräusch der ledernen Eidechse unter einem herabgefallenen Felsbrocken. Das Geräusch von vertrockneten Heuschrecken auf dem Geäst der Büsche. Das laute Flattern von Wolken von Grashüpfern, die über der Ranch abdrehen. Ein kläffender Hund. Ein hungriger Kojote. Das Krächzen eines Karpfens, der frisst, ohne dass seine Flossen im Wasser sind, das Keuchen des Bussards nach einem Kopfschuss. Das Geräusch von frischen Sprösslingen, die den Frühlingsboden durchbrechen. Ein schlecht geöltes Karrenrad, ein quietschendes Scheunentor, das Klirren rostiger Sporen. Das Geräusch war ein Schrei, und der Schrei barg alle diese und andere Geräusche, alle Geräusche, alles Zischen, Bellen, Kläffen, Keuchen, Krächzen, Piepsen, Tschilpen, Schreien, Pfeifen, Ächzen, Brüllen und Stöhnen – all das vermengte sich in Tikes Kopf, als er das Kreischen der Knochen hinter seinen Schläfen hörte und sah, wie Blanche hoch über den glitschigen Wänden des Canyons sein Baby schüttelte. Und der Schrei wuchs aus den Wänden des Canyons und organisierte sich und wurde zu etwas so Weitem, so Hohem, so Großem, so Lautem, dass er die Bretter der Hütte durchschlug. Als es Tike allmählich dämmerte, dass das Geräusch aus Mund, Lunge und Bauch seines Babys dort über dem Bett kam, überwältigte ihn ein solches Gefühl des Stolzes, dass er sich vorkam wie der Amboss eines Hufschmieds, und in seiner Seele klangen hundert Hämmer. Und seinen eigenen Hammer hörte er auf allen anderen Ambossen der Welt klingen. Stolz. Das ist nur ein Wort, ein Laut, der sich der List von Zunge, Lippen, Zähnen verdankt. Und als das Baby das Gesicht verzog und Tike es über Ella May brüllen hörte, fühlte er sich wie ein Mensch, der auf Erden glücklich lebt.
Das Baby verzog das Gesicht zu allen möglichen Grimassen, und Ella May lächelte durch die Nebeldünste des Chloroforms. Mit Daumen und Zeigefinger kniff Blanche auf halbem Wege zwischen Ella Mays Bauch und dem Bauch des Babys die Nabelschnur zusammen. Sie legte das Baby auf den Rücken, wo es zappelte und gegen die Auffassungen der ganzen Welt anbrüllte. Tike hatte nicht das Gefühl, in sich hineinzulächeln, denn Blanche schien in den Glutofen seines Hirns einen Eimervoll glühend heißer Kohle geschüttet zu haben. Hurtig wie ein rennendes Kaninchen hantierte sie mit beiden Händen auf der Gummiunterlage. Die verdauten Nährstoffe in der Nabelschnur drückte sie zurück in Ellas Bauch und drei, vier Zentimeter weit zum Baby hin, dann hielt sie einen Finger fest unter die Nabelschnur und durchtrennte sie mit einem Schnapp ihrer Schere. Die Enden, aus denen sie die Nährstoffe herausgedrückt hatte, band sie zu Knoten, so wie man die Darmsaite einer Violine verknotet. Ella Mays Ende der Schnur wanderte zurück in ihren Schoß. Tike sah, wie Blanche einen weiteren Knoten näher am Bauch des Babys schnürte und das überstehende Stück mit der Schere abschnitt. Ein paar Zentimeter ließ sie vom Nabel herabhängen. Aus der leeren Nabelschnur rieselten ein paar Tropfen wässriger Flüssigkeit, doch für Tike war der Anblick wie der eines blutigen Wracks auf einer Schnellstraße.
»Wieso hängt n das lose Ende runter? He? Guck mal. Blanche. Da haste was vermasselt, oder? Allmächtiger Gott. Dazustehen und so was mit ansehen zu müssen, bringt n Mann glatt um. He. Tu was. Mach’s fest. Das blutige lose Ende da. Guck doch.«
»Nicht so nah. Nicht so dicht am Bett atmen. Das lose Ende wird austrocknen und in wenigen Tagen abfallen. Dann sehen Sie nichts mehr davon. Nicht so nah. Nicht die Hand übers Bett halten. Keime.«
»Keime. Gottverdammte Keime. Das is alles,
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