Haus der Angst
und jeder Versuchung widerstanden. Er war ehrlich, sowohl sich selbst gegenüber als auch den Leuten, deren Interessen er vertrat. Das war alles, was er jemals von sich verlangt hatte; alles, was andere von ihm erwarten durften.
Jetzt stand er vor einer unmöglichen Entscheidung.
Falls Colin Lucy betrogen hatte, dann hätte sie es gewusst. Lucy Blacker war keine, die sich etwas vormachte. Sie sah den Tatsachen immer ins Gesicht.
Aber vielleicht ist das ihr Geheimnis, überlegte Jack. Sein Sohn war tot und hatte es verdient, in Frieden zu ruhen. Seine Witwe und seine Kinder hatten ein Recht darauf, ihr Leben weiter wie bisher zu führen. Vielleicht war die Affäre mit ein Grund dafür, dass Lucy nach Vermont gezogen war.
Mowery war mit seinen schmutzigen Absichten nur deshalb nicht zu Lucy gegangen, weil sie nicht Senator war. Sie hatte nicht die Dinge, über die Jack verfügte: die Macht, einen Ruf, Vermögen.
Aber was wollte Darren Mowery wirklich?
Zehn Riesen waren ein kleiner Preis dafür, dass seine Familie in Frieden gelassen wurde. Der höhere Preis besteht darin, einem Erpresser gegenüber klein beizugeben, überlegte Jack.
Wenn er Glück hatte, war die Angelegenheit damit beendet. Aber Darren Mowery war nicht zu ihm ins Büro gekommen, weil er ein Glückspilz war. Er wollte etwas, und Jack bezweifelte, dass es nur zehntausend Dollar waren.
Als Darren Mowery an Barbaras Schreibtisch in Senator Swifts Vorzimmer vorbeiging, vermied sie es, aufzuschauen. Sie wagte es nicht, ihm in die Augen zu blicken. Der Mann war wirklich unverschämt! Ihr Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen. Aber er hatte ihr ja gesagt, dass er einen offenen Angriff für die beste Methode hielt.
Das wäre also erledigt!
Barbara machte ihre meditativen Atemübungen. Sie beherrschte sie nicht besonders gut. Das Ein- und Ausatmen fiel ihr, trotz geschlossener Augen und Duftkerzen, sogar zu Hause schwer, wenn sie von quälenden Gedanken verfolgt wurde.
Er hatte ihr befohlen, nicht mit ihm in Kontakt zu treten. Er wollte sich bei ihr melden, wenn er den Zeitpunkt für richtig hielt. Selbst wenn sie ihn hätte erreichen wollen, hätte sie nicht gewusst, wo und wann sie ihn treffen konnte. Aber das ist auch nicht wichtig, redete sie sich ein. Nicht, dass sie ihm nicht vertraut hätte oder das Gefühl hatte, nicht genügend Kontrolle über ihn zu haben – es war ihr einfach gleichgültig, wenn er sich mit der Beute aus dem Staub machte. Das Geld spielte für sie keine Rolle. Sie wollte nur, dass ein verängstigter, verzweifelter Jack sie um Hilfe bat. Sie wollte nur, dass er endlich erkannte, was er an ihr hatte.
Sollte er doch leiden dafür, dass er gar nicht wusste, was sie ihm bedeutete. Sollte er doch seine Lektion bekommen!
Auf einmal fiel es ihr schwer zu atmen. Oh Gott! Sie wünschte sich so sehr ihr altes Leben zurück. Sie wollte wieder sie selbst sein. Hätte sie Jack bloß niemals etwas von ihren wahren Gefühlen gesagt, die sie ihm gegenüber hegte. Wäre sie doch nur in der vergangenen Woche zu Hause geblieben und hätte Lucy nicht tyrannisiert, um den Druck, der auf ihr lastete, abzubauen.
Aber es war ein gutes Gefühl gewesen. Und wenn Lucy jetzt weinend zu Jack laufen sollte, umso besser. Das wäre dann nur eine weitere Lektion, die sie, Barbara, ihr erteilt hätte. Die einzige Gefahr bestand darin, dass Darren dahinter kommen konnte.
Oder die Polizei.
Ein bitterer Geschmack stieg ihr in die Kehle.
„Um Gottes willen“, sagte ein Angestellter, „was macht Darren Mowery denn hier?“
Barbara schaute auf und sah aus, als habe man sie bei einer Aufgabe gestört, auf die sie sich sehr konzentrieren musste. „Ach, Sie kennen doch den Senator. Der nimmt sich ja für jeden Zeit, der ihm etwas erzählen will.“
Ihr Kollege schauderte. Er arbeitete beinahe ebenso lange wie sie für Jack Swift, aber im Gegensatz zu ihr war er nicht unverzichtbar. „Der Typ verursacht mir eine Gänsehaut.“
Barbara wandte sich wieder ihrer Arbeit zu. Reine Routine, nichts, was ihr Interesse geweckt hätte. Vor langer Zeit hatte sie einmal den Ehrgeiz gehabt, Abteilungsleiterin in der Mannschaft des Senators zu werden, vielleicht sogar seine Pressesprecherin. Insgeheim hatte sie gehofft, dass er sich um die Präsidentschaft bewerben würde.
So viele Träume, so viele Ziele. Irgendwann waren sie ihr abhanden gekommen. Jetzt saß sie hier und lief Gefahr, genau jene Art von Frau zu werden, die sie verabscheute. Voller Besessenheit
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