Haus der Angst
Ort hatte das dritte Haus gemietet.
Er entdeckte Madison. Sie stand beim letzten Haus, das ganz modern aus Holz und Glas gebaut war.
Sie sprach mit jemandem, der auf der geschützten Veranda stand. Sebastian konnte nicht erkennen, wer es war, als er sich im Schutz der ausladenden Zweige einer riesigen, knorrigen Schierlingstanne näher schlich.
„Madison, du kannst nicht so früh am Morgen hier auftauchen“, sagte eine Frauenstimme leise, aber nachdrücklich. „Das ist nicht in Ordnung. Was soll denn dein Großvater von dir denken?“
„Ich weiß, doch ich hatte diesen schrecklichen Albtraum, und ich musste einfach hinaus aus dem Haus. Ich konnte nicht mehr atmen. Und meine Mutter ist auch nicht mehr so, wie sie war, seitdem …“ Sie hustete, als ob sie an der eigenen Tragödie zu ersticken drohte. „Ich kann es nicht erklären.“
„Versuch es einfach“, meinte die Frau ruhig.
„Kennen Sie Sebastian Redwing?“
Sebastian regte sich nicht. Wer war diese Frau, wegen der Madison sich aus dem Haus geschlichen hatte?
„Nicht persönlich. Ich weiß, dass er deinem Vater und deinem Großvater vor einigen Jahren bei einem Attentatsversuch das Leben gerettet hat und dass er eine Firma für Ermittlungs-und Sicherheitsdienste hat. Er soll sogar sehr gut sein, sagen seine Kollegen.“
„Er ist hier“, sagte Madison und verlieh jedem einzelnen Wort so viel Nachdruck wie möglich.
„Sebastian Redwing?“ Die Frau blieb gelassen. „Wirklich? Warum?“
„Mom hat uns mit zu ihm genommen, als wir in Wyoming waren, und – und ich glaube, dass er uns überhaupt nicht leiden konnte. Er war so ein Idiot.“
Eigentlich hatte Sebastian geglaubt, keinen so schlechten Eindruck gemacht zu haben.
„Und jetzt ist er hier“, fuhr Madison fort. „Ich weiß nicht, aber es ist alles so
unheimlich
. Gestern bei den Wasserfällen hat er sich fast selbst umgebracht. Er ist ausgerutscht oder so ähnlich, und Mom hat ihn gefunden.“
„Sebastian hat deiner Mutter das Haus verkauft, stimmt’s?“
„Ja, es hat seiner Großmutter gehört.“
„Vielleicht hat ihn euer Besuch in Wyoming an Vermont erinnert, und er wollte einfach noch einmal das Haus seiner Großmutter sehen.“
„Aber Mom möchte nicht, dass J. T. oder ich alleine in den Wald gehen. Sie bringt mich um, wenn sie herausbekommt, dass ich hier bin.“
Sebastian wusste, dass das eine Lüge war. Wenn Madison tatsächlich annahm, dass ihre Mutter sie „umbringen“ würde, wenn sie ungehorsam war, dann hätte sie sich bestimmt nicht davongeschlichen. Er war sich nicht sicher, ob das nun bedeutete, dass Mutter und Tochter einander wirklich vertrauten, oder ob das Mädchen ein verzogenes Gör war.
„Weiß dein Großvater, dass Sebastian deine Mutter besucht?“ fragte die Frau.
Die Missbilligung in ihrem Tonfall war kaum wahrzunehmen, aber dennoch unüberhörbar. Sebastian runzelte die Stirn. Sie war wohl der Meinung, nur das Beste für Jack Swift zu tun – und sie glaubte, dass Lucy das nicht tat.
Madison merkte jedoch nichts davon. „Ich glaube nicht. Sie erzählt Großpapa nicht viel.“
„Ja, das kann ich mir vorstellen.“
Wer auch immer diese Frau war – sie mochte Lucy Blacker Swift nicht.
„Mom ist sehr unabhängig“, sagte das Mädchen. Es klang wie eine sehr unwillige Verteidigung ihrer Mutter.
„Das kann man wohl sagen. Aber jetzt solltest du lieber wieder nach Hause laufen, ehe sie aufwacht und sieht, dass du nicht in deinem Bett bist. Sonst wird sie sich Sorgen machen.“
Sebastian duckte sich tiefer unter die Äste der Schierlingstanne. Er hörte, wie die Holzdielen der Veranda knarrten, als Madison und die Frau zur Verandatür gingen.
„Ich kann es kaum erwarten, dass Großvater im Sommer endlich kommt“, sagte Madison. „Das ist echt cool. Keine meiner Freundinnen glaubt mir, dass ich einen Großvater habe, der ein echter Senator ist.“
„Aber deine Freundinnen in Washington tun das doch, oder?“
„Ich meine die Freundinnen hier oben.“
Madison verließ die Veranda und ging die Stufen zur Einfahrt hinunter, die gegenüber von Sebastians Versteck lag.
„Komm mich mal wieder besuchen“, rief die Frau von der Terrasse. „Du wirst doch niemandem etwas von unserem Geheimnis erzählen, oder?“
„Natürlich nicht.“
Sebastian mochte keine Geheimnisse. Es war eine Sache, selbst über etwas kein Wort zu verlieren, aber eine andere, jemanden zu bitten, den Mund zu halten. Besonders, wenn es sich um eine
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