Haus der Angst
nichts Besseres zu tun, als sie daran zu erinnern, was für ein Mistkerl er war. Das war der Geist von Daisy, entschuldigte er sich.
Wäre das Ganze bei ihm zu Hause in Wyoming passiert, dann hätte Lucy Blacker Swift längst neben ihm im Bett gelegen.
Früh am nächsten Morgen, die Sonne war gerade aufgegangen, wurde Sebastian von einem Geräusch geweckt. Es kam von draußen. Er schaute auf die Uhr neben dem Bett: zwanzig Minuten nach fünf. Lucy und ihre Kinder waren zwar Frühaufsteher – aber so früh kamen sie nun doch nicht aus den Federn. Irgendjemand oder irgendetwas musste im Garten hinter dem Haus sein.
Er rollte sich aus dem Bett und schaute aus dem Fenster hinaus, während er seine Hose anzog.
Madison kletterte gerade über die Steinmauer auf der anderen Seite des Gemüsegartens. Sie sprang hinunter, duckte sich und lief über das Feld.
Sebastian fluchte leise. Was um alles in der Welt brachte ein fünfzehnjähriges Mädchen dazu, um fünf Uhr morgens aufzustehen?
„Ein Geheimnis“, beantwortete er sich selbst die Frage.
Er lief über den Korridor und stieg lautlos die Treppen hoch, bis er vor Lucys Zimmer stand. Die Tür war einen Spalt breit geöffnet. Er schlüpfte hinein und hockte sich neben ihr Bett. „Lucy?“
Sie fuhr hoch und umklammerte seinen Arm. „Was ist los?“
„Ich habe Madison quer übers Feld laufen sehen“, sagte er. „Du weißt, dass Teenager Geheimnisse lieben. Ich werde ihr folgen. Du bleibst hier mit J. T.“
„Was?“ Noch im Halbschlaf versuchte sie zu verstehen, was hier vor sich ging. „Madison läuft
wohin
?“
Sie schlug die Bettdecke zurück. Sebastian spürte, wie sein Mund trocken wurde. Ihr Nachthemd war nicht aus Seide, aber es war winzig. Der Ausschnitt war verrutscht und enthüllte fast ihre ganze Brust. Durch den dünnen Stoff konnte er die Konturen ihrer Brustwarzen sehen. Er gab sich Mühe, nicht hinzuschauen, doch sein Gesichtsausdruck hatte ihn längst verraten. Sie schaute an sich herunter, holte tief Luft und veränderte ihre Lage.
„Sie kann noch nicht weit sein“, sagte er. „Wir sind wahrscheinlich wieder zurück, bevor ihr beiden auf den Beinen seid. Ich wollte nicht, dass du aufwachst und uns vermisst.“
Die Bettdecke rutschte von ihren Beinen. Ihr Nachthemd bedeckte kaum ihre Hüften. Ihre Schenkel waren geschmeidig und gebräunt. Wäre ihre Tochter jetzt nicht weiß der Himmel wohin gelaufen wäre, nichts hätte ihn aufhalten können. Ein unbändiges Verlangen loderte in ihm auf, nahm ihm den Atem und raubte ihm fast die Sinne.
„Es wird alles wieder gut, Lucy“, flüsterte er und küsste sie. Obwohl er sich zurückhielt, sollte sie spüren, wie sehr er sie begehrte. Sie fiel zurück auf ihr Kissen, und ihr kurzes Nachthemd rutschte noch höher. Er zog sich zurück. Mit jeder Faser seines Körpers verzehrte er sich danach, hier und jetzt mit ihr zu schlafen. Aber jetzt musste er erst einmal Madison hinterherlaufen und sie daran hindern, welche Dummheit auch immer zu machen. „Ich bin gleich zurück.“
Sie zog die Decke wieder hoch. „Glaubst du, dass du sie finden kannst?“
„Ganz bestimmt.“
„Dann geh.“
Er nickte wortlos und verschwand.
Der Morgentau war kühl und durchnässte seine Schuhe und Hose bis fast zu den Knien, als er wenig später über das Feld lief. Er hörte das Gurren der Tauben und das Krächzen von Krähen und sah, wie eine Drossel zu dem Vogelhaus flog, das er vor vielen Jahren für Daisy an einer Ecke des Feldes aufgestellt hatte.
Er fühlte sich besser. Ein tiefer Schlaf und ein Guten-Morgen-Kuss hatten das Ihre dazu beigetragen. Sein Kopf war klar, und seine Schmerzen waren nicht mehr so stark. Er war noch etwas ungelenk, aber alles in allem auf dem Weg der Besserung.
Es bereitete ihm keine Probleme, Madisons Spur zu folgen. Er wusste, welchen Weg sie genommen hatte, und war deshalb auch nicht überrascht, als er ihren Fußabdruck an einer weichen, schlammigen Stelle entdeckte, die sich unmittelbar hinter der Steinmauer befand, wo der Wald begann. Er folgte einem schmalen Pfad, der hügelaufwärts führte. Er schritt ruhig und gelassen voran, machte jedoch keine Anstrengungen, sich geräuschlos zu bewegen. Sollte Madison ihn hören und nach Hause laufen, umso besser.
Der Pfad endete am Waldweg. Sebastian hatte bereits Erkundigungen über die Bewohner der Häuser eingezogen, die oben auf dem Hügel standen: ein Optiker aus Boston, zwei Blumenhändler aus New York. Eine Maklerin aus dem
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