Haus der bösen Lust (German Edition)
obszöne Wirkung zu erzielen, davon bin ich überzeugt.« Sutes Stimme schien düster und tief zu vibrieren. »Es war Gast. Er wollte Grauen . Er wollte, dass man die Kinder findet, verstehen Sie? Lesen Sie einen Teil des Auszugs ...«
Colliers Blick wanderte über den kursiven Text.
Laut dem Bahnhofsvorsteher waren Gast und seine erste Mannschaft bereits vor einer Woche wieder in der Stadt eingetroffen. Die Rekonstruktion gestaltete sich einfach, nachdem ich mit Richard Barrison gesprochen hatte, einem Pflüger, der bezeugte, mehrere von Gasts Männern gesehen zu haben, wie sie im Vorgarten ein großes Loch aushoben. Barrison berichtet weiter, dass er keine dreißig Minuten später bei seiner Rückkehr sah, wie dieselben Männer das Loch wieder zuschaufelten. Das war kurz nach ein Uhr nachmittags. Weitere Überlegungen dazu waren kaum nötig, als wir die Leichen der armen Mädchen fanden ...
Collier rieb sich ein Schwindelgefühl aus den Augen. »Mein Gott ... Soll das heißen ...«
»Gast ließ seine beiden Töchter lebendig begraben, dann kümmerte er sich um die Ermordung von Jessa und die Massenvergewaltigung und anschließende Hinrichtung seiner Frau mit der Axt. Auch Cutton wurde irgendwann nach ein Uhr nachmittags ermordet.« Sute schwenkte einen weiteren Drink. »Kurz vor Sonnenuntergang befahl er Morris und Poltrock, Marys und Crickets Leichen auszugraben und ins Kinderzimmer zu legen. Er schloss die Tür und sperrte den Hund bei ihnen ein. Gast wusste, dass es vermutlich Tage dauern würde, bis man die Leichen entdeckte. Er wollte, dass sie zuerst ein wenig verwesten, weshalb er die Fenster schloss. Und der Hund hatte natürlich nichts zu fressen ...«
»Der Hund fraß die Leichen der Mädchen«, stieß Collier tonlos hervor.
Mittlerweile sah Sute selbst aus, als sei ihm etwas übel. »Nicht ... nur das, fürchte ich ...«
»Was soll das heißen?«
Der fette Mann deutete abermals auf das Manuskript auf Colliers Schoß. »Vielleicht ist es besser, wenn Sie nicht mehr darin lesen. Eine gekürzte Fassung dürfte weniger widerwärtig sein.« Sute räusperte sich. »Die Mädchen waren schwanger, als Gast sie in das Loch werfen ließ, wahrscheinlich sogar hochschwanger.«
»Er ließ sie lebendig begraben, und sie waren schwanger? « Vor Entrüstung schrie Collier beinahe.
»Ich fürchte ja.«
»Durch Vergewaltigung?«
»Wohl kaum. Wissen Sie, diese jungen Mädchen waren selbst nicht so unschuldig. Wie auch, mit einer solchen Mutter als Vorbild? Sie waren berüchtigt für ihre häufigen Partnerwechsel und ihre Willigkeit, zumindest laut der Fülle an Briefen und Tagebüchern der Ortsbewohner. Und was Sie offenbar nicht begriffen haben, ist: Gast wollte, dass ihre Bestrafung extrem ausfiel. Nach mehreren Stunden unter der Erde hatten die Mädchen Fehlgeburten erlitten und waren tot, die Föten abgestorben. Anschließend wurden die Leichen ausgegraben – vier davon, wohlgemerkt – und in die Betten gelegt. Den ersten Hunger stillte der Hund mit den Föten und der Nachgeburt, und als davon nichts mehr übrig war ... machte er sich an den Mädchen zu schaffen. Das war das Bild, das sich Marschall Braden und seinem Hilfssheriff bot, als sie diese Tür aufbrachen, und zweifellos hätten Sie in Ihrem Albtraum dieselbe Szene gesehen, wenn Sie in das Zimmer geschaut hätten.« Sute seufzte. »Gerüchten zufolge ist der Hund entkommen und wurde nie wieder gesehen. Aber Sie können sicher sein ... er ist mit vollem Magen entkommen.«
Und das alles ist in dem Zimmer passiert, in dem ich jetzt wohne, sinnierte Collier.
War Gast lediglich ein Mann gewesen, der wahnsinnig geworden war, oder handelte es sich bei der Geschichte wirklich um etwas Schlimmeres, das in jeder Hinsicht unmöglich zu sein schien? Die Stille, die folgte, ließ den Raum dunkler wirken. Colliers Gehirn fühlte sich wie empfindungsloses Fleisch an. Ich bin eine Art Antenne, dachte er . Und die Pension ist der Sender . Aber glaubte er wirklich, dass dieses Haus ein Sender war, der das Böse der Vergangenheit ausstrahlte?
Er fühlte sich gealtert, als er sich aus dem Stuhl stemmte. »Ich muss jetzt gehen.«
»Es ist eine grauenhafte Geschichte, Mr. Collier. Aber jetzt wissen Sie alles. Natürlich bedauern Sie angesichts dieses Wissens mittlerweile vermutlich, dass Sie je danach gefragt haben.«
»Das liegt in meiner Natur.« Er versuchte zu lachen und gab Sute das Manuskript zurück.
»Sind Sie sicher, dass Sie es sich nicht ausleihen
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