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Haus der bösen Lust (German Edition)

Haus der bösen Lust (German Edition)

Titel: Haus der bösen Lust (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Lee
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desto weiter war er von seinem Haus entfernt«, vermutete Collier.
    »Genau. Zum Heimfahren musst’ er ein’n von seinen eigenen Versorgungszüg’n nehmen, die für Nachschub an Schienen und Schwellen gesorgt haben. Nur gab’s davon wenige. Er hat warten müssen.«
    »Und während er weg war ...«
    Jiff nickte missmutig. »Sie hat sich mit andren Kerle eingelassen und is’ so dreimal schwanger geworden. Und dreimal hat sie auch abtreiben lassen. Wissen Sie, Abtreibungen hat’s schon damals gegeben. Ich denk’, Gast hat’s von Anfang an gewusst, aber abgewartet, bis die Eisenbahn fertig war, bevor er sie umgebracht hat.«
    »Mit anderen Worten, er wollte die Fertigstellung seines Projekts miterleben.«
    »Die Bahnstrecke war sehr wichtig für ihn. Er hat den Leuten eingeredet, dass er glaubt, bis 1863 würd’ die Konföderiertenarmee Washington, D. C., unter Kontrolle haben, und dann würd’ seine Eisenbahn entscheidend dafür sein, Vorräte weiter nach Norden zu transportieren.«
    Was für eine merkwürdige Art der Formulierung , dachte Collier. »Wenn Sie sagen, er ›redete den Leuten ein‹, das zu glauben ... meinen Sie, dass es bloß ein Vorwand war und er in Wirklichkeit einen anderen Grund hatte, die gewaltigen Kosten und Mühen für den Bau der Strecke auf sich zu nehmen?«
    »Oh, da müssen Sie abbiegen, Mr. Collier.« Jiff beugte sich vor und deutete auf die Kreuzung. » Cusher’s ist gleich dort am Eck. Ja, Sir, Sie werden’s Bier dort lieben .«
    »Ja, aber denken Sie, Gast könnte ...«
    »Die Leute schwärmen von diesem Bier. Und bei Cusher’s gibt’s mehrere Sorten. Ein Bierexperte wie Sie wird davon hellauf begeistert sein.«
    Collier lächelte. Er weicht dem Thema schon wieder aus. Das ist echt komisch. Er hielt es für das Beste, vorläufig nicht weiter nachzuhaken, obwohl er kaum neugieriger hätte sein können.
    Da die Sonne mittlerweile hinter dem Berg versunken war, schwand das Licht zusehends. Straßenlaternen mit Kutschenlampen gingen an, Schaufenster präsentierten sich hell erleuchtet. Das Ortszentrum erinnerte Collier an eine Puppenhausgemeinde: makellose Straßen und Läden, frisch gestrichen wirkende Häusermauern, Blumenschmuck wie aus dem Bilderbuch. Sogar die Menschen wirkten tadellos, vorwiegend verheiratete Paare, die schaufensterbummelnd durch die idyllischen Straßen schlenderten. Kein Gesindel, stellte Collier erleichtert fest. Normalerweise sah er psychotische Penner, die den Rodeo Drive verschandelten, oder Mitglieder der Jugendbanden Crips und Bloods am Redondo.
    »Und da isses.«
    Collier erblickte das in Schreibschrift verfasste Schild – Cusher’s – auf einem Vordach aus Holzschindeln an der Ecke. Bürgerkriegsküche und hausgebrautes Bier . Das Gebäude selbst verfügte über drei Geschosse, ideal für eine Brauerei, da Bier unter Nutzung der Schwerkraft von höheren Stockwerken nach unten verarbeitet wurde. Durch große Fenster zeichnete sich ein voller Speisesaal ab.
    »Wow, nicht, was ich gedacht hätte«, gestand Collier. »Ich habe mir ein kleines Lokal vorgestellt, mehr so etwas wie eine Kneipe.«
    »Oh nein, Sir«, erwiderte Jiff. »Drinnen is’ alles sehr schick, und na ja, wenn Sie’s genau wissen wollen, die haben auch Großstadtpreise.«
    »Ist für Touristen durchaus sinnvoll.«
    Weitere Passanten warfen neugierige Blicke auf das Auto, als sie parkten. Collier schüttelte nur den Kopf. Als der Abend hereinbrach, schien die Stadt aufzublühen – in kräftigem gelbem Licht und mit lächelnden Spaziergängern.
    Kaum war er aus dem Auto gestiegen, musste er unwillkürlich grinsen. Man merkt, dass hier eine Brauerei ist . Er nahm das vertraute Aroma in sich auf: Gerstenmalzmaische, die erhitzt wurde.
    Drinnen trugen die Kellner Konföderiertenuniformen, die Kellnerinnen weiße Schutenhüte, wallende Röcke und gerüschte, tief ausgeschnittene Oberteile. Am Empfangspult wartete bereits eine Menschenschlange. Jiff raunte: »Wir brauchen nich’ auf ’nen Tisch zu warten – nicht, wenn ich sag’, dass ’n Fernseh-Prominenter hier is’.«
    Sofort packte Collier ihn am Arm. »Nein, bitte nicht, Jiff. Ich möchte lieber an der Bar sitzen.«
    »Alles klar.«
    Wahnsinn , dachte Collier. Ziegelstein, Messing und dunkles Furnierholz umgaben sie. Insignien aus dem Bürgerkrieg schmückten die Wände. Eine Touristenfalle, ja, und trotzdem gefiel Collier das Lokal, weil es sich vom Pomp in Los Angeles unterschied und liebevoll gestaltet war. »Tolle

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